Das Sigma-Protokoll
eben jene Focke-Wulf-Fabriken beschädigt hätten. Es gäbe da noch jede Menge anderer Geschichten; das waren jetzt nur ein paar Sachen, über die man sicher Bescheid weiß. Es liegt auf der Hand, dass das nur ein Bruchteil dessen ist, was wirklich Sache war. Keiner von den verantwortlichen Typen hat sich einen Dreck um Hitler geschissen. Ihre Ergebenheit galt einer höheren Sache: dem Profit. Für sie war der Krieg eine Angelegenheit, als ob Harvard gegen Yale
Football spielte - eine flüchtige Ablenkung von ernsteren Dingen, nämlich der Jagd nach dem Dollar.«
Ben schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir Leid, mein Junge. Hört sich ganz nach der altbekannten Hippie-Leier an. Eigentum ist Diebstahl, und trau keinem über dreißig. Dieser ganze durchgeknallte, abgestandene Verschwörungsmüll. Als Nächstes erzählst du mir, dass die auch für den letzten Umweltskandal verantwortlich waren.« Er setzte sein Kaffeetasse so ruckartig ab, dass die Untertasse schepperte. »Schon komisch, früher hast du alles, was mit Wirtschaft zu tun hatte, sterbenslangweilig gefunden. Tja, da hat sich wohl was verändert.«
»Ich erwarte ja gar nicht, dass du sofort alles auf einmal schluckst«, sagte Peter. »Ich liefere dir erst mal nur ein paar Hintergrundinformationen. Die Zusammenhänge.«
»Okay, dann gib mir zur Abwechslung mal ein paar Fakten. Etwas Konkretes.«
»Die Gründungsurkunde listet die Namen von dreiundzwanzig Männern auf«, sagte sein Bruder. Er sprach jetzt deutlich leiser. »Hauptsächlich Industriekapitäne. Plus ein paar Staatsmänner - Blaublüter. Das waren alles Leute, die - da würden Historiker einen Eid drauf schwören - sich nie in ihrem Leben begegnet sind. Und jetzt sind sie allesamt Unterzeichner eines Geschäftspaktes.«
»Eins kapier ich nicht«, sagte Ben halb zu sich selbst. »Warum aus dem Haufen Dokumente gerade dieses? Was war damit, dass du dich so da reingekniet hast?«
Peter lächelte sarkastisch. Er hatte wieder diesen gehetzten Gesichtsausdruck. »Ein bestimmter Name ist mir ins Auge gesprungen. Der Name des Finanzchefs der Gruppe.«
Ben spürte ein Prickeln auf seinem Schädel - als würden Ameisen darüber krabbeln. »Wer war das?«
»Der Finanzchef der Organisation war ein junger Bursche, ein Genie in Finanzdingen. Außerdem war er Obersturmführer in Hitlers SS. Der Name wird dir bekannt vorkommen: Max Hartman.«
»Vater«, sagte Ben. Fast vergaß er zu atmen.
»Er war kein Überlebender des Holocaust, Ben. Unser Vater war ein gottverdammter Nazi.«
8. KAPITEL
Schweiz
Ben schloss die Augen, holte tief Luft und schüttelte den Kopf. »Das ist absurd. In der SS gab es keine Juden. Das Dokument muss eine Fälschung sein.«
»Glaub mir«, sagte Peter leise. »Ich hatte genug Zeit, es zu untersuchen. Es ist keine Fälschung.«
»Aber...«
»Im April 1945 war unser Vater angeblich in Dachau. Befreit Ende April ʹ45 von der Siebten Armee der USA.«
»Wann genau das war, weiß ich nicht.«
»Besonders interessiert hat dich Vaters Vergangenheit wohl nie?«
»Nein, eigentlich nicht«, gab Ben zu.
Peter lächelte grimmig. »Genau so war es ihm wahrscheinlich am liebsten. Und auch du warst glücklich dabei. Lässt sich gut leben im Wohlgefühl der Unschuld. Hast die Lügen nur allzu gern geglaubt. Die Geschichte über den Holocaust-Überlebenden, der mit zehn Dollar in der Tasche nach Amerika kommt und ein Wirtschaftsimperium aufbaut. Und sich auch noch als großartiger Menschenfreund aufführt. Alles Schwindel. Alles Lüge.« Er lachte höhnisch. »Ein wahrhaft großer Mann.«
Ben spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Es war zwar nicht leicht gewesen, mit seinem Vater klarzukommen, und seine Gegner hatten ihn immer als rücksichtslos bezeichnet. Aber ein Betrüger?
»Max Hartman war bei der SS«, wiederholte Peter. »Kapiert? Bei der SS! Nicht zu fassen, aber wahr.« Peter meinte es ernst. Er wirkte verdammt überzeugend. Und trotzdem lag er so offenkundig falsch. Ben wollte schreien: Hör auf, hör endlich auf!
»Was für eine Art Organisation war das?«
Peter zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise Tarnung. Eine Scheinorganisation. Ausgestattet von ihren Mitgliedern mit Abermillionen von Dollars.«
»Wozu? Zu welchem Zweck?«
»Keine Ahnung. In dem Dokument steht auch nichts darüber.«
»Wo ist das Dokument?«
»An einem sicheren Platz, keine Angst. Die Organisation hat ihr Hauptquartier Anfang April 1945 in Zürich eingerichtet. Der Name lautete Sigma
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