Das Sigma-Protokoll
AG.«
»Hast du Vater davon erzählt?«
Peter nickte und nippte zum ersten Mal an seinem Kaffee. »Ich habe ihn angerufen, habe ihm das ganze Papier am Telefon vorgelesen und gefragt, was er dazu sagt. Er ist explodiert, wie ich erwartet hatte. Hat wie du behauptet, dass es eine Fälschung sei. Auch damit hatte ich gerechnet. Er ist wütend geworden, hat angefangen zu brüllen. Wie kannst du solche Verleumdungen nur glauben? Nach allem, was ich durchgemacht habe, blablabla. Wie kannst du nur solche Lügen glauben? Die Tour. Mir war natürlich klar, dass er nichts sagen würde; ich war nur neugierig auf seine Reaktion. Dann hab ich mich an die Arbeit gemacht. Hab in Genf und in Zürich auf Ämtern rumgeschnüffelt, um rauszukriegen, was aus der Organisation geworden ist. Und dann hat man zweimal versucht, mich umzubringen. Beim ersten Mal sollte es wie ein Autounfall aussehen. Ein Wagen ist am Limmatquai auf den Gehweg geschleudert und hat mich nur knapp verfehlt. Beim zweiten Mal war es ein inszenierter Überfall auf der Niederdorfstraße. Beide Male konnte ich gerade noch abhauen. Dann haben sie mir eine Warnung zugespielt. Wenn ich weiter in Sachen herumstocherte, die mich nichts angingen, würde ich beim nächsten Mal nicht mehr davonkommen. Ich sollte alle Dokumente rausrücken. Sollten Details über die Organisation in die Öffentlichkeit gelangen, drohten sie, mich und den Rest unserer Familie zu töten. Ich sollte nicht mal dran denken, eine Zeitung anzurufen. Was mit Dad passierte, war mir egal. Ich wollte nur, dass Mama und dir nichts zustößt.«
Das hörte sich ganz nach Peter an. Er war ein ebenso zum Äußersten entschlossener Beschützer seiner Mutter wie Ben.
Und er war vernünftig. Er neigte ganz und gar nicht zu Wahnvorstellungen. Es war unmöglich, dass er ihm nicht die Wahrheit erzählte.
»Okay, du weißt etwas. Aber warum sollten die sich noch darum kümmern?«, fragte Ben nach. »Denk doch mal logisch: Da ist vor über einem halben Jahrhundert diese Organisation gegründet worden. Na und? Was soll die Heimlichtuerei nach so langer Zeit?«
»Du vergisst, dass es da um Geschäftsbeziehungen gegangen ist, die über alle Feindeslinien hinweg gelaufen sind. Es geht um das Risiko, öffentlich bloßgestellt und geächtet zu werden. Und zwar für einige der mächtigsten und geachtetsten Leute unserer Zeit. Und das ist noch das Wenigste. Stell dir nur mal den Kern dieser Unternehmung vor. Riesige Konzerne aus alliierten wie aus Ländern der Achsenmächte schaffen quasi ein globales Joint Venture, das allen Profit sichert. Über Deutschland war damals eine totale Blockade verhängt, aber trotzdem floss Kapital über die Grenzen. Das würde sicher so mancher als Handel mit dem Feind bezeichnen. Wer weiß, welche internationalen Gesetze damals verletzt wurden. Und was, wenn die Möglichkeit bestünde, die Vermögen einzufrieren oder zu beschlagnahmen? Es ist völlig unmöglich, die Größe der Vermögen einzuschätzen. Die können nach einem halben Jahrhundert zu unvorstellbaren Summen angewachsen sein. Und sogar die Schweizer lassen unter internationalem Druck über ihr heiliges Bankgeheimnis mit sich reden. Offensichtlich sind ein paar Leute zu dem Schluss gekommen, dass ich vielleicht doch genug weiß, um ihr auskömmliches Arrangement in Unordnung zu bringen.«
» Ein paar Leute ? Um wen handelt es sich dabei?«
Peter seufzte. »Tja, wie gesagt, das würde ich auch ganz gern wissen.«
»Wenn überhaupt noch einer von denen lebt, die diese Organisation aufgebaut haben, dann müsste der steinalt sein«, sagte Ben.
»Klar, die meisten von den führenden Köpfen sind sicher schon tot. Aber ein paar leben noch, glaube mir. Und manche sind auch noch gar nicht so steinalt - schätze, in den Siebzigern. Wenn nur zwei oder drei der Initiatoren von damals noch am Leben sind, dann sitzen sie wahrscheinlich auf gigantischen Vermögen. Und
wer sind die Erben? Auf jeden Fall verfügen sie über die Mittel, um ihr Geheimnis für immer geheim halten zu können. Unter Anwendung von jedem Mittel, das ihnen nötig erscheint.«
»Und deshalb bist du untergetaucht?«
»Genau. Die wussten zu viel über mich. Meinen Tagesablauf, Kneipen und Geschäfte, in die ich gegangen bin, meine geheime Telefonnummer, Namen und Wohnorte von Familienmitgliedern, meine finanzielle Situation. Sie haben mich unmissverständlich wissen lassen, dass sie über unbegrenzte Mittel verfügen. Und das war der Grund, Benno, warum ich
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