Das silberne Schiff - [Roman]
ärmellosen Hemd herausragten. Er hatte sich das Haar gewaschen, und ich hatte es gekämmt und sorgfältig geflochten.
Kayleen ritt neben mir und beobachtete ständig den Himmel, als würde sie nach Raubvögeln Ausschau halten. Oder Gleitern. Die Landschaft schien jede Gefahr Lügen strafen zu wollen, denn wir waren von der farbenfrohen frühlingsähnlichen Blüte der Hochwiesen im Sommer umgeben. Hier oben herrschte der üppige Duft unterschiedlichster Blumen, obwohl das Gras auf der Ebene unter Artistos bereits gelb geworden war. Wir ritten über eine lange Graswiese und steuerten eine Baumgruppe auf der anderen Seite an. Gelbe und weiße Blüten ragten über die langen grünen Grashalme hinaus und streiften die Bäuche unserer Gebras.
Hinter uns ritten Tom und Paloma und waren in ein ernstes Gespräch vertieft.
Als wir uns dem Rand der langgezogenen Hochwiese näherten, wurde ich auf eine Bewegung vor uns aufmerksam. Eine große dunkelhaarige Frau mit langen Beinen, sehr schmaler Taille und ausgeprägten Armmuskeln trat unter einem Zeltbaum hervor und ging auf Liam zu. Sie hatte die rechte Hand erhoben, um ihm zu signalisieren, dass er anhalten solle. Sie wirkte ernst, obwohl ihre blauen Augen glitzerten.
Ich beugte mich zu Kayleen hinüber. »Das ist Alyksa. Sie ist der beste Scout der Sippe. Sie weiß, wie man die Djuri-Herden findet.«
»Sie sieht sehr stark aus«, raunte Kayleen.
Liam ließ sein ausgeborgtes Gebra Herzog in einen langsameren Schritt fallen, um dann genau vor ihr stehen zu bleiben. Alyksa nahm einen Zügel des Tiers. Kayleen und ich ritten zu den beiden. Ich hätte gedacht, Alyksa würde lächeln und uns willkommen heißen, aber sie schürzte die Lippen und blieb in laufbereiter Haltung stehen. Ihre ersten Worte waren: »Wir müssen euch von hier eskortieren. Ihr müsst warten.« Als sie seinen ungläubigen Blick sah, fügte sie hinzu: »Sogar du.« Erst dann, nachdem sie ihre Pflicht erfüllt hatte, breitete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus, das zur Freude in ihren Augen über das Wiedersehen mit uns passte.
Tom und Paloma kamen herbei. Alyksa lächelte immer noch. Offenbar erkannte sie die beiden. Sie musterte Liam, dann mich. »Willkommen zuhause!«
Liam nickte ihr zu. »Danke.« Er tauschte einen kurzen verwirrten Blick mit mir aus. Die Westsippe stellte jederzeit Wachen auf, aber sie achteten auf Gefahren und ließen unsere eigenen Leute passieren.
Er wandte sich wieder an Alyksa. »Wie geht es Akashi und Mayah?«
»Sie machen sich große Sorgen.«
Ich bemerkte eine leichte Bewegung in den Bäumen, die sich schließlich teilten. Dann lächelte ich, als ich Akashi erkannte. Er kam zu Fuß. Ich beugte mich zu Liam hinüber und tippte ihm an die Schulter. »Frag ihn selbst.«
Liam drehte sich um und ließ sich vom Gebra gleiten. Er rannte zu seinem Vater und überließ Alyksa die Zügel. Die Fährtenleserin verzog das Gesicht, dann zuckte sie mit den Schultern und tätschelte das Gebra.
Auch Akashi lief los. Sein Gesicht strahlte vor Aufregung.
Ich blieb zurück und beobachtete, wie sie sich in die Arme schlossen. Liam war gewachsen – Akashis Kopf reichte seinem adoptierten Sohn kaum bis zur Schulter. Akashis langes graues Haar war gestutzt worden, und seine Schultern hingen leicht nach unten. Liam klopfte seinem Vater auf den Rücken und hatte sich ein wenig vorgebeugt, so dass seine Wange auf Akashis Kopf lag. So blieben sie eine ganze Weile stehen, bis sie sich voneinander lösten und sich stumm musterten.
Ich nahm die raue Strickleiter und stieg daran vorsichtig von Jiko herunter, während ich mir erneut wünschte, ich hätte Tiger geritten und nicht dieses gefügige, unscheinbare Tier. Ich drückte Jikos Leine in Alyksas ausgestreckte Hand und beobachtete Akashi und Liam.
Kurz danach winkte Akashi mir, dass ich zu ihm kommen solle. Ich fiel ihm in die Arme, trank seinen Geruch nach Leder und Lagerfeuerrauch und Schweiß. Heiße Tränen der Erleichterung überraschten mich, als sie unerwartet über meine Wangen liefen. Auch in seinen dunklen Augen standen Tränen, doch sie sammelten sich lediglich in den Winkeln.
»Du hast mir gefehlt«, sagte ich mit brüchiger Stimme.
Er drückte mich noch fester an sich. »Auch du hast mir gefehlt.« Dann beugte er sich ein wenig zurück und blickte zu mir auf. Seine Augen glitzerten verschmitzt. »Ist das Liams Baby?«
Ich nickte.
Er zeigte auf Kayleen. »Das auch?«
Ich biss mir auf die Lippe und hatte plötzlich Angst.
Weitere Kostenlose Bücher