Das silberne Schiff - [Roman]
Schließlich nickte ich vorsichtig.
»Nun, eigentlich überrascht mich das nicht«, sagte Akashi. »Meinen Glückwunsch.«
Ich atmete erleichtert aus.
Akashi wandte sich an Liam. »Wo wart ihr?«
Liam schluckte. »Auf Islandia.«
Akashi zog eine Augenbraue hoch.
»Kayleen hat uns hingebracht«, warf ich ein. »Das ist eine lange Geschichte. Wir hätten sie dir irgendwann erzählt.«
Akashi zog auch Liam an sich, so dass wir drei in einer einzigen Umarmung dastanden. »Daran habe ich nie gezweifelt. Wenigstens seid ihr jetzt zurückgekehrt.« Akashi blickte mit gerunzelter Stirn zur Gruppe. »Wir lassen es an Gastfreundschaft mangeln.«
Er ließ uns los, um die anderen drei zu begrüßen. Dann folgten wir ihm über einen breiten Waldpfad bis zu einer Lichtung. Liam griff nach meiner Hand und blieb stehen, als wir zwischen den Bäumen hervortraten. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete das Lager. Obwohl ich bisher nur wenige Sommerlager erlebt hatte, wurde mir sofort klar, dass dieses anders war.
Normalerweise wurden die Wagen der Sippe im Kreis aufgestellt, dicht zusammen, um sich gegenseitig durch die Masse Schutz zu geben. Hier standen die Wagen einzeln unter Bäumen, und an jedem hielt sich mindestens eine Person auf. Ziegen und Gebras grasten, an langen Leinen oder an Pfosten, die man in den Boden gerammt hatte, und nicht wie sonst in provisorischen Gehegen. Die Kinder liefen zu zweit oder in größeren Gruppen durch das Lager, schleppten Wasser, führten Ziegen herum und unterhielten sich leise. Sommerfette Lagerhunde blieben nahe bei den Kindern und waren stets wachsam. Das Lager roch richtig – nach trocknendem Fleisch und Asche und Tieren, aber die Gerüche schienen genauso gedämpft zu sein wie die Bewegungen und die Geräusche.
»Am Tag, als Gianna uns anrief, sind wir sofort hierher umgezogen«, sagte Akashi leise. »Wir haben doppelt so viele Wachen und Kundschafter wie sonst aufgestellt.«
Schließlich entdeckte ich meinen kleinen Wagen. Tiger graste friedlich daneben, und Sasha saß auf dem Wagen, wo sie an irgendetwas arbeitete, den Kopf gebeugt, die weiße Strähne in ihrem dunklen Haar deutlich sichtbar. Ich wollte zu ihr hinüberlaufen, doch die Andersartigkeit dieses Lagers erinnerte mich daran, weswegen wir gekommen waren. Ich wandte mich an Akashi. »Können wir hier irgendwo miteinander reden? Wir bringen schlechte Neuigkeiten.«
Er seufzte. »Das habe ich mir bereits gedacht.«
Alyksa und zwei junge Männer kamen mit ihren Reittieren vorbei.
Kiara erspähte uns und drehte sich zu Abyl um, ihrer besten Freundin: »He, schau mal!« Die beiden taten alles gemeinsam, sie stellten auch ihre Wagen nebeneinander ab. Nun kamen sie gemeinsam herüber, um uns zu begrüßen, zwei stämmige Frauen in mittlerem Alter. Sasha blickte auf und ließ fallen, was sie in den Händen gehalten hatte. Sie sprang vom hohen Bock, rannte los und traf gleichzeitig mit Kiara und Abyl bei uns ein. Tiger hob den Kopf und trötete. Kurz darauf waren wir von der Hälfte der Sippe umgeben. Die Leute riefen uns, begrüßten uns und fragten nach Neuigkeiten. Kayleen, Tom und Paloma standen knapp außerhalb des Menschenauflaufs und sahen staunend zu.
Auch Akashi betrachtete lächelnd die Menge. Nachdem der erste laute und fröhliche Ansturm vorbei war, fragte er Liam: »Möchtet ihr mit mir oder mit der Sippe reden?«
Liam sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Ich wollte alle wiedersehen, aber es wäre schwierig, sich mit so vielen Leuten gleichzeitig zu unterhalten. »Nur Akashi und die Stellvertreter«, sagte ich leise.
Also erzählten wir unsere Geschichte ein weiteres Mal. Doch diesmal sprachen wir mit den kompetentesten Menschen auf ganz Fremont.
Kapitel 39
Sashas Schärpe
Als wir die Zusammenkunft aufgelöst hatten, trat ich nach draußen. Die Nachmittagssonne überforderte meine Augen, so dass ich blinzeln und für einen Moment den Blick abwenden musste. Liam war drinnen geblieben, um mit seinen Eltern zu sprechen, und Kayleen war bereits mit Cho losgezogen, der Bibliothekarin der Sippe. Die beiden plauderten wie zwei alte Freundinnen über die Datenbibliothek. Ich machte mich auf den Weg zu meinem Wagen.
Sasha war auf den Bock zurückgekehrt und hatte die Hände und ihre Arbeit im Schoß. Ihr Lächeln sah aus, wie sich mein Herz fühlte – hell und glücklich. Ich kuschelte mich an sie und legte einen Arm um ihre schlanken Schultern. Sie war eine Vagabundin, viel fähiger als ein
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