Das silberne Schiff - [Roman]
Gestalten und blickten hinunter. Ein jeder schwieg, wie Hunter. Die Stelle, wo wir standen, die drei Leichen, Hunters stumme Totenwache – das alles schien überhaupt nichts mit den Geräuschen zu tun zu haben, die aus der Höhle kamen.
Kayleen beugte sich hinunter und enthüllte langsam eins der Gesichter. Es war Lourdes, eine Stadtbewohnerin, die mit uns gekommen war, eine wortkarge Frau, die der Farmgruppe tatkräftig geholfen hatte. Ihr Gesicht war unversehrt, die Augen geschlossen, die Züge entspannt. Ich schluckte und legte meine Hand in Liams. Wut drückte mir fest die Kehle zusammen. Ich hatte sie nur flüchtig gekannt, aber Lourdes war ein vertrautes Gesicht gewesen, eine freundliche, ruhige Frau. Kayleen legte die Finger an die Lippen, berührte sanft Lourdes’ Stirn und verhüllte ihr Gesicht wieder.
Behutsam zog Kayleen die nächste Decke zurück, und wir alle schnappten gleichzeitig nach Luft. Eric, der Schuhmacher. Einer der wenigen Menschen aus Artistos, die sich von Anfang an für uns eingesetzt hatten. Er hatte immer über Kayleens große Füße gelacht, ihr gut gelaunt neue Schuhe gemacht und sie jedes Mal aufgezogen, wenn sie sich begegnet waren. Nachdem die Gruppe in die Höhle eingezogen war, hatte er uns geholfen, Schlingen herzustellen, in denen sich die Silberkugeln tragen ließen, und geduldig ausprobiert, wie sich einige der anderen Waffen einsetzen ließen. Erst letzte Woche hatten wir den achten Geburtstag seiner Tochter Sudie gefeiert, als er ihr ein wunderschönes Spielzeuggebra geschenkt hatte, das er selbst aus dem Kernholz eines Zeltbaums geschnitzt hatte. Ich zuckte zusammen, als ich mich erinnerte, wie ihr Gesicht gestrahlt hatte.
Kayleen segnete Eric genauso, wie sie es mit Lourdes gemacht hatte, mit einem Kuss und einer sanften Berührung der Fingerspitzen.
Wer würde Kayleen jetzt neue Schuhe machen?
Eine Träne fiel lautlos auf die Decke, während sie Erics weißes, lebloses Gesicht wieder verhüllte.
Das letzte blicklose Gesicht gehörte einem der Vagabunden. Walter, ein Mitglied der Ostsippe und ein guter Bekannter von Liam. In Liams Alter. Ich wandte den Blick ab und legte den Kopf an Liams Schulter, legte den Arm um seinen Hals und zog ihn an mich, um ihm Trost zu spenden und mich trösten zu lassen.
Was wäre, wenn es stattdessen Liam getroffen hätte?
Er erwiderte meine Umarmung, und seine Wange lag auf meinem Kopf. Ein leiser, erstickter Laut drang aus seiner Kehle. Als ich mich umdrehte, war Walters Gesicht wieder zugedeckt, und die drei Leichen lagen genauso da, wie wir sie vorgefunden hatten.
Liam und ich setzten uns neben Hunter, Kayleen blieb stehen und blickte stumm auf die Toten. Ihr dunkles Haar hing ihr ins Gesicht und verbarg ihre Regungen. Kurz danach wandte sie sich ab und kam zu uns. Wir saßen in einem kleinen Kreis auf dem glatten Steinboden im Höhleneingang. Hunter hustete und musterte uns mit ruhigen, abschätzenden Blicken. »Stile sagte mir, die Farmergilde wäre ohne eure Hilfe ebenfalls abgebrannt. Vielleicht sogar noch mehr.« Er griff mit einer knorrigen Hand nach Kayleen und strich ihr über die Wange. »Es tut mir leid, dass ich jemals an dir gezweifelt habe.« Er blickte auf die verhüllten Gestalten. »Eric hat sich immer wieder mit mir über dich gestritten. Er sagte, dass meine Sorgen völlig grundlos seien.«
Kayleen brachte ein schwaches Lächeln zustande. Ihre Stimme klang ein wenig gebrochen. »Ich hoffe, jetzt zweifelst du nicht mehr.«
Wir schwiegen für eine Weile und gedachten der Toten. Draußen riefen Nachtvögel, als wäre die Welt völlig in Ordnung. Als würden wir nicht auf die nächsten schrecklichen Dinge eines schrecklichen Tages warten. »Wie geht es Sasha?«, fragte ich. »Ich habe gehört, dass sie sich das Bein gebrochen hat.«
Er verzog das Gesicht. »Sie wird wieder gesund. Es ist ein sauberer Bruch. Man hat die Leiter unter ihr weggeschossen. Sie wollte weiter nach oben, damit sie über den Ohrempfänger Verbindung zu allen umherstreifenden Gruppen erhält. Hier gibt es nur vier oder fünf Verletzte, da ihr uns vorgewarnt habt und die meisten Leute sich tief in die Höhle zurückziehen konnten.« Er deutete auf die drei Leichen. »Alle Toten und Verletzten waren Kundschafter oder Wachen, außer Lourdes, die in die Küche kam, um Wasser für die Kinder zu holen. Einige andere Gruppen haben viel mehr Opfer zu beklagen.«
»Was ist mit Sky?«, fragte Kayleen.
»Ihr geht es gut. Sie ist bei Sasha. Alle
Weitere Kostenlose Bücher