Das silberne Schiff - [Roman]
entspannten Tonfall. »Außerdem ist Jenna auch auf mich sauer. Ich habe das Schiff so umprogrammiert, dass ich ein paar Tage vor ihr geweckt wurde.«
Sie grinste. »Gut für dich. Hast du Schwierigkeiten bekommen?«
»Dafür hat es sich gelohnt.« Ich befahl der weißen Wand, ein Bild der Schiffskameras zu projizieren. Silberheim nahm nun die Hälfte der Wand ein, groß genug, um die Raumschiffe und Habitate und Raumdocks im Orbit zu erkennen. »Dort lebt unser Volk, Alicia – Modifizierte wie wir.« Ich hatte wieder Bryans verunstaltetes Gesicht vor Augen. »Vielleicht müssen wir noch lernen, uns in ihre Gesellschaft einzufügen, aber sie werden uns bestimmt nicht verprügeln, nur weil wir anders sind.«
Sie beugte sich vor und musterte den Planeten an der Wand. »Ich möchte genug wissen, damit wir nicht mehr anders sind, wenn wir dort ankommen.«
Nun dämmerte mir, dass sich die tapfere Alicia verloren und verängstigt fühlte. Ich ging zu ihr und rieb ihre Schulter und erzählte ihr alles, was ich wusste – was mir jedoch nur sehr wenig zu sein schien. Ich erwähnte auch, dass Jenna Nachrichten von Silberheim empfangen hatte und von uns Entscheidungen erwartete, fragte Alicia aber nicht nach ihrer Ansicht. Ich zeigte ihr die Bilder vom Datenspeicher, auch die meiner Eltern und der hohen eleganten Gebäude im Hintergrund, aber ich konnte ihr nicht sagen, wo auf dem Planeten diese Fotos aufgenommen worden waren.
Sie wand sich unter meinen Händen. »Das fühlt sich gut an.«
Als ich mich hinabbeugte, um sie zu küssen, erwiderte sie den Kuss, zog sich aber schon kurz darauf zurück. »Was hast du sonst noch erfahren?«
Enttäuscht versuchte ich, das Kamerabild an der Wand näher heranzuzoomen. Doch es wurde unscharf, bevor mehr zu erkennen war als die Städte, die mindestens die Hälfte der Landfläche bedeckten, und die Transportwege dazwischen.
Kontinente und Inseln waren in der Nähe des Äquators wie zu einer Halskette aufgereiht. Weiter entfernt kamen sie spärlicher vor und drängten sich wieder dichter an beiden Polen, die weiß und kaum besiedelt waren, obwohl dort immer noch mehr Menschen lebten als irgendwo auf Fremont. Ich ging zum Bild und rief gleichzeitig Daten von Sternenzähler ab. Gezielt zeigte ich auf die Kontinente. »Das ist Li, wohin wir unterwegs sind, und gleich daneben liegt Juh. Hinter dieser Inselkette – die Silberaugen – kommt der Kontinent, der Schwarzberge heißt …«
Ich beobachtete ihre Miene. Hatte Alicia Angst? Ich schaute wieder auf die Darstellung und versuchte sie durch ihre Augen zu sehen. Die unruhige Landschaft, die vielen Kontinente und Inseln – all das war ganz anders als Fremont. Li war größer als Jini und Islandia zusammen. Hier hatte jede Stadt mehr Einwohner als ganz Fremont.
Auf Silberheim schien alles Land gezähmt zu sein. Selbst die Meere waren voller Städte, die schwammen oder vielleicht auf Plattformen errichtet waren. Eine Menschenwelt. Als ich neben Alicia saß, pochte mein Herz in aufgeregter Erwartung. Alicia war unsere Abenteuerin, unsere Gefahrensucherin, und selbst sie schien von Silberheim eingeschüchtert zu sein, zumindest beim ersten Anblick.
Wir waren zu einer Welt unterwegs, wo ich kein Freak sein würde, und allein aus diesem Grund musste diese Welt besser sein als Artistos. Außerdem würde sich Alicia bald wieder aufrappeln – sie hatte von uns allen den stärksten Wunsch gehabt, Fremont zu verlassen.
Ich beugte mich über sie und küsste sie auf den Mund. Diesmal war sie geradezu begierig auf die Berührung. Als wir uns trennten, flüsterte ich: »Jenna wird eine Zeitlang beschäftigt sein. Kommst du mit?«
Sie öffnete den Mund, als wollte sie protestieren, doch dann funkelten ihre Augen, und sie sagte: »Geh voraus.«
Jenna und Bryan weckten uns nach dem besten Schlaf, den ich seit unserem Aufbruch von Fremont gehabt hatte. Jenna lärmte in der Küche, obwohl ich aus Erfahrung wusste, dass sie ein Frühstück leise genug zubereiten konnte, damit niemand etwas davon mitbekam. Ich öffnete die Augen und stemmte mich mit einem Arm hoch. Ein neuer weißer Gipsverband strahlte an Bryans Bein. Die alten Pflaster waren entfernt und durch etwas Durchsichtiges ersetzt worden, das die ordentlichen Nähte seiner Verletzungen erkennen ließ. Selbst seine blauen Flecken waren ein wenig verblasst.
Munter stieg ich aus dem Bett und setzte mich in einen der weichen Sessel, die sich im Gemeinschaftsraum zwischen der Küche und den
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