Das silberne Schiff - [Roman]
Garmin, hatte ihm die Fäuste gezeigt.
Die Haut an einem Auge und auf der Wange darunter hatte in der Kälte die Schwellung verloren, aber rote und gelbe Striemen bildeten eine eigenartige Landkarte auf seinem Gesicht. Pflasterstreifen aus der Klinik von Artistos schlossen die Wunden an seinem Schädel und an einem Arm. Ein versorgter Riss zierte einen Oberarmmuskel, die Hände wiesen blaue Flecken auf, und seine Knöchel waren rissig. Ein schmutziger grauer Gipsverband umschloss sein rechtes Bein, und ein langer gezackter Schnitt, der kaum verschorft war, kam unter dem Gips hervor, schlängelte sich über das Knie hinauf und endete auf halber Strecke an der Innenseite seines Oberschenkels.
Er war immer der Stärkste gewesen, der uns in Artistos beschützt hatte.
Jetzt lag er blass, reglos und verwundet da.
Ich wurde nervös und konnte es kaum abwarten, dass er sich bewegte, sprach und wieder er selbst wurde.
Langsam nahm seine Haut Farbe an. Sie wärmte seine Wangen, kroch den Brustkorb hinauf und sickerte durch den Hals ins Gesicht. Zwanzig Minuten vergingen, bis er endlich stöhnte und sich die Lippen befeuchtete.
»Bryan?«, flüsterte ich.
Zuerst reagierte er überhaupt nicht. Doch dann fuhr er plötzlich hoch und setzte sich auf, zu diesem Zeitpunkt des Aufweckvorgangs zweifellos eher ein Willens- als ein Kraftakt. Er blickte sich um. »Joseph.« Seine Stimme war heiser, fast ein Krächzen. Er rieb sich die Augen, stöhnte und schüttelte den Kopf. Er schien schon wieder klar denken zu können, da er unmittelbar darauf fragte: »Wann und wo sind wir?«
Ich konnte mich nicht erinnern, was er wusste. Es war so viel geschehen, während er im Gefängnis und dann in der Klinik gewesen und anschließend noch einmal verprügelt worden war. »Wir sind auf dem Weg nach Silberheim, von wo unsere ersten Eltern kamen. Wir werden in etwa zwei Wochen landen. Wir haben Fremont vor drei Jahren verlassen.«
»Chelo?« Seine Stimme zitterte. »Ist Chelo mitgekommen? Ist sie hier?«
»Nein.« Ich streckte eine Hand aus, um ihn zu stützen, ließ sie jedoch wieder sinken.
Er seufzte wegen der unangenehmen Neuigkeiten. Ich reichte ihm ein Glas Wasser, das ich ans Bett gestellt hatte, und sah schweigend zu, wie er es austrank, als würde er es einatmen. Er blinzelte. »Wissen wir, ob es ihr gutgeht?«
Ich schüttelte den Kopf, während ich das Glas nachfüllte. »Jenna sagt, dass es auf Fremont keine solche Kommunikationsmöglichkeit mehr gibt, seit die Neue Schöpfung abgeflogen ist. Sie glaubt, dass sie uns gar keine Nachrichten schicken können. Und ich wette, selbst wenn sie es könnten, würden sie es nicht tun.« Ich reichte ihm das zweite Glas. Er trank es langsam und vorsichtig aus, während ich fortfuhr. »Wahrscheinlich werden wir nichts Neues erfahren, bis wir zurückgekehrt sind.«
Seine Miene erhellte sich. »Wann kehren wir zurück?«
»Ich weiß es nicht.« Ich legte ihm behutsam eine Hand auf den Gipsverband. Jetzt fühlte er sich aufgeweicht an, wahrscheinlich eine Nebenwirkung des Einfrierens. »Aber uns geht es gut. Wie fühlst du dich?«
Er lachte leise. »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest mich das nicht gefragt.« Er berührte sein Gesicht und zuckte zusammen. »Jetzt wird mir bewusst, dass mir alles wehtut.«
»Ich soll dich in die Klinik bringen, sobald du wieder laufen kannst.«
Vorsichtig streckte er sein weniger verletztes Bein. Als er das andere Bein ein paar Zentimeter anhob und es wieder ablegte, nahm sein Gesicht einen schmerzvollen Ausdruck an. »Noch nicht, glaube ich. Ich werde mich auf dich stützen müssen.«
Als er in die Neue Schöpfung gekommen war, hatte er sich auf Alicia gestützt, und ihre zierliche Gestalt hatte sich unter seiner Last gebeugt.
Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Kayleen und Liam sind mit Chelo zurückgeblieben?«
Ich füllte noch einmal das Glas und beobachtete, wie er es langsam austrank. Er wusste, dass Liam und Chelo ein enges Verhältnis begonnen hatten. »Ja.«
»Sie fehlt mir. Beide fehlen mir. Kayleen, die über alles Mögliche gleichzeitig plappert, und Chelo, die beständig und immer da ist.« Er reichte mir das Glas und verschränkte die geschundenen Hände im Schoß. »In der Nacht, als ihr alle fortgegangen seid, habe ich sie umarmt. Ich wünschte, ich hätte sie niemals losgelassen.«
Das Aufwachen schien ihn etwas verwirrt zu haben. Normalerweise sprach Bryan nie über seine Gefühle. Ich füllte ein weiteres Glas Wasser
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