Das silberne Zeichen (German Edition)
eingetreten und hat diesen Namen angenommen.»
«So ein Zufall.»
«Kein Zufall», erwiderte Marysa, nun wieder gefasster. «Christoph sagt, sein Bruder habe sich immer gewünscht, den Namen des heiligen Christophorus zu tragen, weil sie beide an dessen Gedenktag geboren wurden. Im Konvent gab man seinem Wunsch statt.»
Hartwig zögerte kurz, dann schüttelte er wieder den Kopf. «Ich glaube kein Wort davon, Marysa. Dass ich ihn angezeigt habe, war mehr als rechtens. Ich kann es nicht zulassen, dass du dich weiterhin mit diesem Schurken einlässt. Er wird dich ins Verderben reißen, und unsere gesamte Familie dazu.»
«Ich liebe ihn, Hartwig!»
«Liebe!» Er spie das Wort förmlich aus. «Deine Sinne sind vernebelt. Du hast dich in etwas hineingesteigert, das dir großen Schaden zufügen kann. Du bist die Tochter von Gotthold Schrenger! Bisher habe ich dir immer ein gutes Quantum Verstand zugesprochen, obwohl einige deiner Entscheidungen in meinen Augen fragwürdig waren. Du hast Geschäftssinn, bist eine kluge Reliquienhändlerin und kannst die Frau eines guten Handwerkers werden. Gort oder Leynhard, das überlasse ich dir. Beide sind gute Männer, die dir ein anständiges Leben bieten können. Anständig, hörst du? Das solltest du im Auge behalten. Du wirst Kinder haben und alle Bequemlichkeit, die ein Haushalt bieten kann. Ich weiß, wie gut deine Geschäfte laufen, Marysa. Was willst du mehr? Setz das nicht alles wegen eines windigen Kerls aufs Spiel, der früher oder später am Galgen enden wird.»
Marysa senkte den Kopf. «Du willst es nicht verstehen, nicht wahr? Christoph ist Christoph.» Selbstbewusst schaute sie ihn an. «Und er wird mein Mann werden.»
«Nein, verflucht noch eins, das wird er nicht!», brüllte Hartwig, doch da hatte sie seine Stube bereits verlassen.
15. KAPITEL
Marysa fühlte sich wie gerädert, als sie am folgenden Morgen ihr Haus verließ. Sie hatte in der Nacht kaum Schlaf gefunden. Ständig hatte sie darüber nachgegrübelt, wie sie Christoph aus dieser verfahrenen und vor allem gefährlichen Situation heraushelfen konnte. Eine Lösung war ihr nicht eingefallen.
Bardolf wollte noch vor dem Mittag bei den Schöffen vorstellig werden, um Näheres über die Anklagepunkte zu erfahren und für Christoph zu bürgen. Sie war ihm sehr dankbar dafür, wusste sie doch, dass auch er sich dadurch in nicht unbeträchtliche Gefahr begab. Schlimmstenfalls drohte ihnen allen eine Anklage wegen Mittäterschaft.
Kurz dachte Marysa an den Boten, der sich wahrscheinlich bereits auf dem Weg nach Frankfurt befand. Hoffentlich hielt das derzeit trockene Wetter an, damit er problemlos und möglichst schnell an sein Ziel gelangen konnte. Wieder und wieder hatte sie nachgerechnet, wie viele Tage es dauern würde, bis sie die Abschriften der Urkunden vorliegen hätte, mindestens zehn Tage, eher zwei Wochen, in denen so vieles geschehen konnte. Doch die Schöffen würden ganz sicher ebenfalls abwarten und nicht eher ein Urteil fällen, bis alle Beweise vorlagen. An diese Hoffnung klammerte sich Marysa.
Der kurze Weg zum Grashaus führte sie über den Kaxhof und den Parvisch, wo zu dieser frühen Stunde rege Betriebsamkeit herrschte. Bauern brachten ihre Waren zum Marktplatz, Handwerker waren unterwegs zu ihren Baustellen. Fuhrwerke und vereinzelte Reiter kreuzten Marysas Weg ebenso wie ein kleiner Junge, der mit einem Holzstock eine Herde schnatternder Gänse vor sich hertrieb.
Sie fühlte sich unwohl, denn mehr als einmal hatte sie den Eindruck, dass die Leute sie heimlich musterten. Wahrscheinlich hatte sich Christophs Verhaftung bereits herumgesprochen. Solche Neuigkeiten verbreiteten sich meist wie ein Lauffeuer in Aachen.
«Herrin, Ihr hättet lieber einen der Jungen mitnehmen sollen», befand Grimold, der sich dicht hinter ihr hielt. «Die Leute starren Euch an. Milo oder Jaromir sind kräftiger als ich.»
Marysa wandte ihm den Kopf zu. «Sei unbesorgt. Sie werden mir schon nichts tun. Dazu besteht kein Anlass.» Dennoch spürte sie ein unangenehmes Ziehen in ihrer Magengrube, als sie wenig später vor dem Gefängnis ankam und dem unverhohlenen Blick einer Bürgersfrau begegnete, die, flankiert von zwei Mägden mit großen Einkaufskörben, offenbar auf dem Weg zum Markt war.
Entschlossen straffte Marysa die Schultern und pochte an die schwere Eichentür des Grashauses. Während sie wartete, dass jemand öffnete, blickte sie an der grauen Fassade des Gefängnisses empor. Ursprünglich war
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