Das silberne Zeichen (German Edition)
erfahren, dass man Euren Verlobten verhaftet hat. Ein Missverständnis, oder nicht?»
«Natürlich ist es das», antwortete Marysa rasch. «Man hält Christoph für seinen Bruder. Dabei kann er beweisen, dass er …»
«Wartet, Frau Marysa.» Der Domherr schaute sich um. «Lasst uns ins Stiftshaus gehen und dort weiterreden. Mir scheint, hier gibt es zu viele neugierige Ohren. Habt Ihr Zeit?»
«Natürlich.» Erleichtert folgte Marysa ihm zur Domimmunität und gab Grimold ein Zeichen, zu ihr aufzuschließen.
***
«Hm, tja.» Rochus van Oenne faltete die Hände auf seinem Schreibpult und schnalzte missfällig. «Warum habt Ihr mir nicht von Anfang an gesagt, dass der Mann, den Ihr zu ehelichen gedenkt, ein Verwandter jenes in Aachen nicht unbekannten Ablasskrämers ist? Noch dazu sein Zwillingsbruder!»
Marysa saß ihm gegenüber auf einem gepolsterten Stuhl und hielt die Arme fest vor dem Leib verschränkt. «Ich … Wir», verbesserte sie sich, «… hatten nicht angenommen, dass diese Verwandtschaft ein Problem aufwerfen würde.»
«Hm», machte van Oenne erneut. «Damit hättet Ihr rechnen müssen. Wie man mir sagte, ist die Ähnlichkeit mehr als auffällig. Genau genommen erfuhr ich zunächst nicht, dass man den Schreinemaker eingesperrt habe, sondern Bruder Christophorus. Und zwar wegen Betrugs.»
«Aber Christoph kann beweisen, dass er ein Meister der Frankfurter Schreinerzunft ist.»
«Und warum hat er das nicht längst getan?»
Seufzend löste Marysa ihre verkrampften Hände und legte sie in den Schoß. «Das geht im Augenblick nicht. Er wurde gestern bestohlen.»
«Ach?»
«Jemand ist in seine Kammer im Tanzenden Bären eingebrochen und hat all seine Urkunden mitgenommen.»
«Wie passend. Oder sollte ich besser sagen, wie unpassend?» Der Domherr stand auf und trat neben sie. «Frau Marysa, diese Geschichte klingt sehr an den Haaren herbeigezogen, das müsst Ihr zugeben.»
«Aber es ist die Wahrheit!», begehrte sie auf. «Jemand hat Christoph bestohlen und dann dafür gesorgt, dass er bei den Schöffen angezeigt wird.»
«Jemand?» Van Oenne hob neugierig die Brauen. «Und Ihr habt nicht zufällig einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte?»
«Doch, den habe ich.» Marysa blickte unglücklich zu ihm auf. «Ich glaube, dass mein Vetter Hartwig dahintersteckt.»
«Meister Schrenger?»
«Ich kann es nicht beweisen. Er streitet es ab.»
«Das kann ich mir vorstellen. Wie kommt Ihr darauf, dass einer Eurer nächsten Verwandten Euch dergestalt Schaden zufügen will?»
Kurz berichtete Marysa dem Domherrn, was sie am Vortag schon mit Bardolf und ihrer Mutter besprochen hatte. Auch legte sie ihm dar, wie oft Hartwig in der Vergangenheit versucht hatte, ihrer Werkstatt habhaft zu werden.
Van Oenne hörte ihr aufmerksam zu. «Ich weiß, dass Meister Schrenger vor einiger Zeit versucht hat, sich mit unlauteren Mitteln den Auftrag über die Reliquienschreine für die Chorhalle zu erschleichen, der Euch zugedacht war. Er wurde dafür gerügt. Ihr glaubt also, er würde so weit gehen, einen unschuldigen Mann mit falschen Vorwürfen zu belasten?»
Marysa zögerte, dann nickte sie vorsichtig. «Glauben kann ich es auch kaum, Herr van Oenne. Aber er ist der Einzige, der mir einfällt. Es wurmt ihn schon lange, dass man ihm nicht die Munt über mich zugesprochen hat. Er wollte mich mit seinem Vetter mütterlicherseits, Gort Bart, verheiraten, um so Gewalt über die Werkstatt zu erhalten. Nachdem ich ihm von meiner Verlobung mit Christoph erzählt habe, hat er mich bereits mehrfach offen beschimpft und mir gedroht.»
«Gibt es Zeugen dafür?»
Marysa nickte. «Mein Gesinde, meine Eltern. Sogar Gort wird es bezeugen können, meine beiden Gesellen ebenfalls.»
«Und Ihr sagt, der Schreinemaker kann beweisen, dass er der ist, für den er sich ausgibt?»
«Das kann er. Ich erzählte Euch doch, dass er nach Frankfurt gereist ist. Dort hat er alle erforderlichen Urkunden und Schriftstücke beim Rat angefordert.»
«Also fürchtete er sehr wohl, dass es zu einer Verwechslung mit seinem Bruder kommen könnte – mit Bruder Christophorus.»
«Auf den ersten Blick sehen sie sich wirklich sehr ähnlich, Herr van Oenne. Christoph sagt, das sei schon so gewesen, als sie noch Kinder waren. Sie haben den Leuten damit gerne Streiche gespielt. Dann ist Robert, sein Bruder, in den Frankfurter Dominikanerkonvent eingetreten und wurde Bruder Christophorus.»
«Und Christoph?»
«Er blieb bei seinen Eltern und
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