Das silberne Zeichen (German Edition)
wundern, wenn sie ebenfalls betrügerische …»
«Jetzt reicht es aber!», unterbrach van Oenne ihn barsch. «Marysa Markwardt ist eine ehrbare Frau. Die Tochter von Gotthold Schrenger, der einst sogar für einige Jahre Bürgermeister der Stadt Aachen war.»
«Und wennschon. Die Weiber sind von jeher empfänglich für solche Verführer wie …»
«Ich werde dieses Thema mit Euch nicht weiter erörtern», schnitt van Oenne ihm das Wort ab. «Tatsache ist, dass Ihr gegen eine Abmachung verstoßen habt. Ich verlange, sofort zu dem Gefangenen geführt zu werden. Sollte sich nämlich herausstellen, dass der getötete Geselle aus Frau Marysas Werkstatt jenem Schurken zum Opfer gefallen ist, der das Marienstift um die silbernen Pilgerabzeichen zu betrügen versucht hat, müssen wir den Schreinemaker auch zu diesen Vorfällen eingehend befragen.» Er verzog den Mund. «Und zwar ohne ihn dabei auf die Streckbank zu binden.»
Marysa stieß unwillkürlich einen Laut des Entsetzens aus. Der Domherr warf ihr einen kurzen Blick zu. «Womöglich kann uns der Gefangene Hinweise geben, die diese Vorfälle aufklären. Auch Euch dürfte daran gelegen sein, Volmer, da Ihr gewiss den Mörder van Hullsens finden und den Brand in van Lyntzenichs Silberschmiede sühnen wollt. Letzterer hätte sich leicht in eine Katastrophe für die gesamte Stadt ausweiten können. Und vergesst nicht, dass der Schreinemaker nicht unbeteiligt an der Verhinderung derselben gewesen ist.»
«Nur, weil er beim Löschen geholfen hat, macht ihn das nicht unschuldig», erwiderte Volmer, nun jedoch deutlich zurückhaltender.
«Das mag sein», antwortete van Oenne. «Es scheint mir trotzdem bemerkenswert. Abgesehen davon habe ich durch Frau Marysa von einigen Ereignissen erfahren, die mich vermuten lassen, dass die Sache mit unseren Pilgerzeichen möglicherweise in Zusammenhang mit den Anschuldigungen gegen den Schreinemaker stehen könnte.»
Volmer hob erstaunt den Kopf. «In welchem Zusammenhang?»
«Das», sagte van Oenne mit einem kalten Lächeln, «werdet Ihr erfahren, wenn ich es für nötig erachte. Erfreut Euch zunächst für eine Weile an der Unwissenheit. Dann werdet Ihr vielleicht begreifen, wie es mir heute ergangen ist, als ich die Nachricht Eurer heimlichen Befragung erhalten habe. Und nun, werter Volmer, führt uns zur Zelle des Gefangenen!»
29. KAPITEL
Marysa stürzte auf Christoph zu, als sie ihn mit geschlossenen Augen am Boden liegen sah. Sie ging neben ihm in die Knie und legte ihm sanft die Hände an die Wangen, spürte die rauen, immer dichter werdenden Bartstoppeln unter ihren Fingern. «Christoph? Christoph, geht es dir gut?» Ihre Stimme schwankte. Als er die Augen öffnete und sich aufrichtete, atmete sie auf.
«Marysa? Was tust du hier? Wie bist du …?» Sein Blick fiel auf van Oenne, der neben Marysa getreten war und ihn interessiert musterte. «Wollt Ihr mich zum Prozess holen?»
Der Domherr schüttelte den Kopf. «Befreit den Mann von seinen Fesseln», sagte er über die Schulter zu dem Wächter, der in der Tür stand. Der Mann gehorchte und zog sich dann mit einem missbilligenden Blick zurück.
«Kennt Ihr den Gesellen Heyn Meuss?», fragte van Oenne übergangslos.
Christoph war überrascht. Ehe er antworten konnte, spürte er den leichten Druck von Marysas Fingern auf seinem Arm und fing ihren Blick auf. Obgleich er diesen nicht zu deuten wusste, begriff er, dass sie ihm riet, vorsichtig zu sein. «Kennen ist zu viel gesagt. Ich traf ihn ein- oder zweimal in Marysas Werkstatt. Warum fragt Ihr?»
Der Domherr schwieg zunächst. Sein Blick ging mehrmals zwischen Marysas und Christophs Gesicht hin und her, dann nickte er leicht, als fühle er sich in irgendetwas bestätigt. «Habt Ihr ihn auch beim Löschen des Brandes von van Lyntzenichs Werkstatt gesehen?»
«Ja, ich erinnere mich, dass er unter den Brandhelfern gewesen ist. Warum …?»
«Er ist tot.»
«Was?» Christoph starrte erst van Oenne ungläubig an, dann Marysa.
«Erhängt», sagte van Oenne knapp.
Trotz der Schmerzen in seinen Gliedern rappelte sich Christoph auf, um dem Domherrn auf gleicher Höhe in die Augen sehen zu können. «Marysas Geselle hat sich umgebracht?»
«Er wurde erdrosselt und dann in unserem Stall aufgehängt», erklärte Marysa und bemühte sich, nicht an den schrecklichen Anblick zu denken.
«Also Mord?» Christophs Miene spiegelte seine Ratlosigkeit.
«Noch ist das nur eine Vermutung, jedoch weist einiges darauf hin»,
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