Das silberne Zeichen (German Edition)
gesehen, da war er sich ganz sicher. Wahrscheinlich hatte er Marysa davon erzählen wollen. Das hätte seinen ganzen Plan zunichtegemacht. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, an jedes Detail zu denken. Einfach war es nicht gewesen. Ursprünglich hatte er vorgehabt, Marysa und ihren betrügerischen Liebhaber vor aller Welt – oder doch zumindest vor allen Aachenern – ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Heyns unerwartetes Auftauchen war nun aber ein Grund gewesen, es sich anders zu überlegen.
Er bedauerte ein wenig, dass er um die Freude gebracht wurde, Marysas Gesicht zu sehen, während man den Schreinemaker auf den Scheiterhaufen führte und das Feuer unter ihm entzündete. Auch Heyns Todeskampf, den er um seiner Befriedigung willen etwas hinausgezögert hatte, konnte ihn nur unzulänglich entschädigen. Andererseits bekam er vielleicht die Gelegenheit, dem Schreinemaker vor dessen Tod zuzuflüstern, was er mit Marysa angestellt hatte. An dieser Möglichkeit musste er noch arbeiten. Der Gedanke gefiel ihm zunehmend besser.
Die Einzelheiten seines Plans hatte er geändert – darin war er mittlerweile fast zur Meisterschaft gereift! Nun hieß es, noch ein kleines Weilchen abzuwarten. Marysa war eine kluge Frau. Sie würde möglicherweise sehr schnell die richtigen Schlüsse ziehen. Wenn es so weit war, würde endlich seine Stunde kommen.
Er kicherte vor sich hin und streichelte dabei liebevoll über die Schneide des neuen Dolches, den er sich in Frankfurt gekauft hatte. Die Vorfreude ließ sein Herz höherschlagen.
Damit es nicht zu lange dauerte, hatte er Marysa eine kleine Überraschung hinterlassen.
28. KAPITEL
«Marysa, möchtest du nicht doch für ein paar Tage zu uns kommen?», fragte Jolánda besorgt. Sie trug den kleinen Éliás auf dem Arm. Gela, die Amme, war still neben der Haustür stehen geblieben. «Du weißt, dass wir immer für dich da sind, nicht wahr? Ich ertrage den Gedanken nicht, dass du ganz allein hier im Haus bist, während ein Mörder in Aachen frei herumläuft.»
«Ach, Mutter, ich bin doch nicht allein», erwiderte Marysa ruhig. «Das Gesinde ist die ganze Zeit um mich. Außerdem besteht nicht der geringste Grund zur Sorge.»
«Aber ist es nicht schlimm genug, dass man Heyn auf so grausame Weise umgebracht hat? Und denk an den Silberschmied van Hullsen!» Jolándas Stimme zitterte leicht. «Glaubst du wirklich, dass Hartwig hinter alldem steckt?»
«Ich befürchte es», bestätigte Marysa. «Aber ich kann es nicht beweisen, deshalb habe ich Bardolf gebeten, meinen Verdacht noch nicht den Schöffen vorzutragen.»
«Wie willst du das überhaupt beweisen? Willst du Hartwig einfach fragen, ob er es getan hat?»
«Nein, ganz sicher nicht.» Marysa schüttelte den Kopf. «Ich weiß noch nicht, was ich tun werde. Wenn er es wirklich war, ahnt er wahrscheinlich noch nicht, dass ich ihn verdächtige. Ich habe Milo vorhin zu Hartwigs Werkstatt geschickt. Weder ihn noch Gort hat er dort angetroffen. Wo Gort steckt, wusste der Hausknecht nicht, aber Hartwig ist gestern nach Burtscheid gefahren, um einen Schrein auszuliefern. Angeblich wollte er dort übernachten und heute Mittag zurück sein.» Sie hielt einen Moment inne, um sich zu sammeln. «Mutter, glaubst du, Hartwig ist vielleicht verrückt geworden? Er war schon immer von missgünstiger Natur. Vater konnte ihn nie leiden …»
«Es muss wohl so sein», antwortete Jolánda und hätschelte das Kind, das daraufhin freudig gluckste. «Ich verabscheue ihn! Wie kann er nur so hinterhältig sein? Das passt eigentlich gar nicht zu ihm. Er ist aufbrausend und jähzornig. Aber Betrug und sogar Mord?»
«Ich weiß, Mutter.» Marysa trat näher an sie heran und strich ihrem kleinen Brüderchen sanft über die Wange. «Ich begreife es ja auch nicht.»
***
Der Gefängniswächter öffnete die Zellentür und stieß Christoph grob hindurch, sodass er strauchelte. Er hätte den Sturz mit seinen Händen abgefangen, doch diese waren ihm hinter dem Rücken gefesselt worden. Ein Schmerzenslaut entfuhr ihm, als er auf dem harten Graslager aufprallte. Hinter sich hörte er, wie die Zellentür zuschlug und die sich entfernenden Schritte des Wächters.
Stöhnend versuchte er, sich umzudrehen und aufzusetzen. Die Schöffen hatten beschlossen, dass es an der Zeit war, die Befragungen unter verschärften Bedingungen fortzuführen. Man hatte ihn auf einen Hocker gesetzt, die Arme auf dem Rücken gebunden, ganz allmählich wurden sie immer weiter nach
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