Das Silmarillion
den verfluchten Werken Morgoth Bauglirs offenbar.
Zu Anfang des Jahres gebar Morwen ihr Kind, Húrins Tochter, und sie nannte sie Nienor, was Trauer bedeutet. Túrin und seine Gefährten aber kamen unter großen Gefahren zuletzt an die Grenzen von Doriath, und dort fand sie Beleg Langbogen, der Hauptmann von Thingols Grenzwächtern, und führte sie nach Menegroth. Nun wurde Túrinvon Thingol empfangen, der ihn in sein eigenes Haus nahm, zu Ehren Húrins des Standhaften; denn gegen die Häuser der Elbenfreunde hatte Thingols Sinn sich gewandelt. Darauf wurden Boten nach Hithlum entsandt, die Morwen aufforderten, Dor-lómin zu verlassen und mit ihnen nach Doriath zu kommen; doch mochte sie das Haus noch nicht verlassen, wo sie mit Húrin gewohnt. Und als die Elben von ihr schieden, gab sie ihnen den Drachenhelm von Dor-lómin mit auf den Weg, das teuerste Erbstück von Hadors Haus.
Túrin wurde stark und schön in Doriath, doch war er vom Unglück gezeichnet. Neun Jahre blieb er in Thingols Hallen, und während dieser Zeit wurde sein Leid geringer, denn zuweilen gingen Boten nach Hithlum, und wenn sie zurückkehrten, brachten sie gute Nachricht von Morwen und Nienor. Doch es kam ein Tag, da kehrten die Boten aus dem Norden nicht mehr zurück, und Thingol wollte keine weiteren mehr aussenden. Da war Túrin voller Angst um Mutter und Schwester, und düsteren Herzens trat er vor Thingol und bat um Rüstung und Schwert; und er setzte den Drachenhelm von Dor-lómin auf und zog in die Kämpfe an den Grenzen von Doriath und wurde Waffengefährte von Beleg Cúthalion.
Und nachdem drei Jahre vergangen waren, kehrte Túrin wieder nach Menegroth zurück, da er aber aus der Wildnis kam, war er verlaust, und seine Rüstung und Kleider waren verschlissen. Nun gab es in Doriath einen aus dem Volk der Nandor, Saeros mit Namen, ein hoher Rat des Königs, der schon lange Túrin die Ehre missgönnte, die er als Thingols Pflegesohn genoss; und er saß ihm an der Tafel gegenüber und verspottete ihn, indem er sagte: »Wenn die Männer von Hithlum so wüst und grimmig sind, welcher Art sind da die Frauen in jenem Land? Laufen sie umher wie das Wild, nurin ihr Haar gekleidet?« Da griff Túrin in großem Zorn nach einem Trinkgefäß und warf es nach Saeros, und der wurde übel verletzt.
Am nächsten Tag vertrat Saeros Túrin den Weg, als er von Menegroth wieder zu den Grenzen aufbrechen wollte; doch Túrin überwand ihn und jagte ihn nackt vor sich her durch die Wälder wie ein gehetztes Wild. Da stürzte Saeros, entsetzt vor ihm fliehend, in die Schlucht eines Flusses, und sein Leib zerschellte an einem großen Felsen im Wasser. Andere kamen hinzu, die gesehen hatten, was geschehen war, unter ihnen Mablung, und der gebot Túrin, mit ihm nach Menegroth zu gehen und sich dem Urteil des Königs zu stellen und seine Gnade zu erflehen. Túrin aber, sich nun als einen Gesetzlosen achtend und Gefangenschaft fürchtend, leistete Mablung nicht Folge und machte sich rasch davon; und Melians Gürtel durchschreitend kam er in die Wälder westlich des Sirion. Dort schloss er sich einer Bande so unbehauster und verwegener Männer an, wie man sie in jenen schlimmen Tagen in der Wildnis nur finden mochte; und sie erhoben die Hand gegen jeden, der ihres Weges kam, ob Elb, Mensch oder Ork.
Als aber alles, was vorgefallen, vor Thingol gebracht und erforscht worden war, da wurde Túrin vom König verziehen, weil ihm Unbill geschehen war. Zur selben Zeit kehrte Beleg Langbogen von den Nordgrenzen heim nach Menegroth und fragte nach Túrin; und Thingol sprach zu Beleg und sagte: »Traurig bin ich, Cúthalion, denn an Sohnes statt nahm ich Húrins Sohn, und das soll er bleiben, wenn nicht Húrin selbst aus den Schatten heimkehrt, um zu fordern, was sein ist. Keiner soll sagen, in die Wildnis sei Túrin ungerecht vertrieben worden, und mit Freuden nähme ich ihn wieder auf, denn ich liebte ihn wohl.«
Und Beleg antwortete: »Ich werde Túrin suchen, bis ich ihn finde, und ihn nach Menegroth zurückbringen, wenn ich es vermag, denn ich liebe ihn gleichfalls.«
Dann schied Beleg aus Menegroth, und weit und breit in Beleriand forschte er unter vielen Gefahren vergebens nach Túrin.
Túrin aber blieb lange unter den Banditen und wurde ihr Hauptmann; und er nannte sich Neithan, der Gekränkte. Wohlverborgen hausten sie in dem Waldland südlich des Teiglin; doch als seit Túrins Flucht aus Doriath ein Jahr vergangen war, stieß Beleg eines Nachts auf ihr Lager.
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