Das Silmarillion
will ich es gebrauchen, solange ich kann«, sagte Beleg.
»Eine andere Gabe will ich dir geben, Cúthalion«, sagte Melian, »welche dir in der Wildnis zustatten kommen soll, und auch denen, die du erwählst.« Und sie gab ihm einen Vorrat von Lembas, der Wegzehrung der Elben, in silberne Blätter gehüllt, und die Fäden, die sie zusammenhielten, trugen an den Knoten das Siegel der Königin, ein Stück weißes Wachs in Form einer Blüte Telperions; denn nach den Bräuchen der Eldalië waren Verwahrung und Verteilung der Lembas allein Sache der Königin. Durch nichts erwies Melian Túrin höhere Gunst als mit dieser Gabe, denn noch nie hatten die Eldar Menschen den Genuss dieser Wegzehrung gestattet, und auch später geschah es selten.
Dann schied Beleg mit diesen Gaben aus Menegroth, und er ging wieder an die Nordgrenzen, wo er seine Lager und viele Freunde hatte. Nun wurden die Orks aus Dimbar zurückgetrieben, und Anglachel frohlockte, dass es aus der Scheide kam; doch als es Winter wurde und der Krieg sich beruhigte, da wurde Beleg plötzlich von seinen Gefährten vermisst, und er kehrte nicht mehr zu ihnen zurück.
Als nun Beleg sich von den Banditen getrennt hatte und nach Doriath zurückgekehrt war, da führte Túrin sie nach Westen aus dem Tal des Sirion heraus, denn des ruhelosen Lebens, immer auf der Hut vor Verfolgung, waren sie müde, und sie suchten nach einem besser geschützten Lager. Und eines Abends geschah es, dass sie auf drei Zwerge trafen, die vor ihnen flohen; doch einen, der hinter den anderen zurückblieb, ergriffen sie und warfen ihn zu Boden, und einer aus der Bande nahm seinen Bogen und ließ den beiden andren, während sie in der Dämmerung verschwanden, einen Pfeil nachfliegen. Der Zwerg nun, den sie gefangen hatten, hieß Mîm; und er bat Túrin um sein Leben und bot als Lösegeldan, sie zu seinen versteckten Hallen zu führen, die niemand ohne seine Hilfe zu finden vermochte. Da erbarmte sich Túrin und verschonte Mîm und sagte: »Wo ist dein Haus?«
Da antwortete Mîm: »Hoch über den Landen liegt es, auf dem großen Berg Amon Rûdh, wie er jetzt heißt, seit die Elben alle Namen geändert haben.«
Da war Túrin still und sah den Zwerg lange an und sagte zuletzt: »Zu dem Ort sollst du uns bringen.«
Am nächsten Tage machten sie sich auf und folgten Mîm zum Amon Rûdh. Dieser Berg nun stand am Rande des Heidelands, das sich zwischen den Flusstälern von Sirion und Narog erhob, und hoch über die steinige Ebene reckte er seinen Gipfel. Die steile Kuppe aber war kahl bis auf das rote Seregon, welches den Fels bedeckte. Und als die Männer von Túrins Bande näher kamen, brach die Sonne von Westen her durch die Wolken und schien auf den Gipfel; und das Seregon stand in voller Blüte. Da sagte einer von ihnen: »Es ist Blut auf dem Gipfel.«
Mîm aber geleitete sie auf geheimen Pfaden die steilen Hänge des Amon Rûdh hinauf; und am Eingang zu seiner Höhle verneigte er sich vor Túrin und sagte: »Tritt ein in das Bar-en-Danwedh, das Haus der Auslöse, denn so soll es heißen.«
Und nun kam ein zweiter Zwerg mit einem Licht, ihn zu begrüßen; und sie sprachen miteinander und traten schnell ins Dunkel der Höhle; Túrin aber folgte ihnen und kam zuletzt in eine Kammer tief im Innern, trüb erhellt von Lampen, die an Ketten hingen. Dort fand er Mîm, wie er neben einem steinernen Bett an der Wand kniete, sich den Bart raufte und wehklagte, immerfort einen Namen rufend; und auf dem Bett lag ein dritter Zwerg. Túrin, der eingetreten war, stand neben Mîm und bot seine Hilfe an. Da blickteMîm zu ihm auf und sagte: »Du kannst nicht helfen. Denn dies ist Khîm, mein Sohn, und er ist tot, von einem Pfeile durchbohrt. Er ist bei Sonnenuntergang gestorben. Mein Sohn Ibun hat es mir gesagt.«
Da erwachte Mitleid in Túrins Herzen, und er sagte zu Mîm: »Wehe! Könnte ich doch diesen Pfeil zurückrufen. Nun soll dieses Haus wahrlich Bar-en-Danwedh heißen; und wenn ich je zu Reichtum gelange, so will ich dir eine Auslösung in Gold zahlen für deinen Sohn, zum Zeichen des Schmerzes, auch wenn es dein Herz nicht mehr erfreuen kann.«
Da erhob sich Mîm und sah Túrin lange an. »Ich habe es vernommen«, sagte er. »Du sprichst wie ein Zwergenfürst von einst, und das verwundert mich. Nun ist mein Herz kühler, obgleich es nicht froh ist; und in diesem Hause magst du wohnen, denn ich werde meine Auslöse bezahlen.«
So begann Túrins Aufenthalt in dem versteckten Hause Mîms auf dem
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