Das Silmarillion
zwischen die Elbenheere, König Fingon umzingelnd, Turgon und Húrin aber seitwärts ins Fenn von Serech abdrängend. Und dann wandte er sich Fingon zu. Heiß war das Treffen. Zuletzt stand Fingon allein zwischen seinen gefallenen Leibwächtern und focht mit Gothmog, bis ein anderer Balrog von hinten eine Feuerschlinge um ihn warf. Da schlugGothmog mit seiner schwarzen Axt zu, und eine weiße Flamme sprühte aus Fingons gespaltenem Helm. So fiel der Hohe König der Noldor; und sie hieben ihn in den Staub mit ihren Keulen, und sein blausilbernes Banner stampften sie in die Lachen von seinem Blut.
Die Schlacht war verloren, aber noch hielten Húrin und Huor und die Reste von Hadors Volk mit Turgon von Gondolin stand, und die Heere Morgoths vermochten den Pass des Sirion nicht zu nehmen. Da sprach Húrin zu Turgon und sagte: »Geh jetzt, Herr, solange noch Zeit ist! Denn in dir lebt die letzte Hoffnung der Eldar, und solange Gondolin steht, wird Morgoths Herz die Furcht nicht verlernen.«
Turgon aber antwortete: »Nicht lange kann Gondolin verborgen bleiben; und ist es einmal entdeckt, so muss es fallen.«
Da sprach Huor und sagte: »Doch wenn es nur noch eine kurze Weile steht, dann wird aus deinem Hause die Hoffnung der Elben und der Menschen kommen. Dies sag ich dir, Herr, mit dem Weitblick des Todes: Auch wenn wir hier für immer scheiden und ich deine weißen Mauern nicht mehr sehen werde, so soll doch aus dir und aus mir ein neuer Stern kommen. Leb wohl!«
Und Maeglin, Turgons Schwestersohn, der dabeistand, vernahm diese Worte und vergaß sie nicht; aber er sagte nichts.
Da folgte Turgon dem Rate Húrins und Huors, und alles sammelnd, was sich von Gondolins Heer und von Fingons Leuten noch sammeln ließ, zog er sich zum Sirion-Pass hin zurück, während seine Hauptleute Ecthelion und Glorfindel die Flanken zur Rechten und Linken sicherten, damit kein Feind sie überholen könne. Für die Rückendeckung aber sorgten die Menschen von Dor-lómin, wie Húrin und Huores wollten; denn sie wünschten von Herzen, die Nordlande nicht zu verlassen, und wenn sie sich nicht nach Hause durchschlagen konnten, so wollten sie hier bleiben bis zum Ende. So wurde Uldors Verrat gutgemacht; und von allen Kriegstaten, welche die Väter der Menschen für die Eldar vollbrachten, ist das letzte Gefecht der Männer von Dor-lómin die ruhmreichste.
So geschah es, dass Turgon sich nach Süden durchkämpfte, bis er, hinter Húrins und Huors Deckung gelangt, den Sirion abwärts entkam; und er verschwand in den Bergen und war den Blicken Morgoths verborgen. Die Brüder aber scharten die restlichen Menschen aus dem Volk Hadors um sich und wichen Fuß um Fuß zurück, bis sie hinter dem Fenn von Serech waren und den Bach Rivil vor sich hatten. Dort standen sie und wichen nicht mehr.
Alle Heere Angbands liefen nun gegen sie zusammen; sie überbrückten den Bach mit ihren Toten und schlossen sich um das letzte Häuflein aus Hithlum wie die steigende Flut um einen Felsen. Dort, am sechsten Tage, als die Sonne im Westen sank und der Schatten der Ered Wethrin dunkler wurde, fiel Huor, von einem Giftpfeil ins Auge getroffen, und um ihn her lagen all die tapferen Männer Hadors erschlagen auf einem Haufen; und die Orks schlugen ihnen die Köpfe ab und türmten sie übereinander, wie zu einem goldenen Hügel im Sonnenuntergang.
Als Letzter von allen stand Húrin allein. Da warf er den Schild fort und schwang die Axt beidhändig; und im Liede heißt es, die Axt habe im schwarzen Blute von Gothmogs Trollgarde so sehr gequalmt, dass sie schließlich verbrannt sei, und bei jedem Schlag rief Húrin: » Aure entuluva! Es soll wieder Tag werden!« Siebzigmal stieß er diesen Ruf aus, doch zuletzt, auf Morgoths Geheiß, ergriffen sie ihn lebendig, denn die Orks packten ihn mit ihren Händen, die sich auch dann noch festklammerten, wenn er die Arme abgehauen hatte, und sie kamen in immer neuen Scharen, bis er zuletzt lebendig unter ihnen begraben lag. Dann fesselte ihn Gothmog und schleppte ihn unter Verhöhnungen nach Angband.
So endete die Nirnaeth Arnoediad, als die Sonne jenseits des Meeres unterging. Nacht wurde es in Hithlum, und ein großer Sturmwind kam aus Westen.
Groß war Morgoths Triumph, und ganz so, wie es ihm behagte, hatte er sein Ziel erreicht, denn Menschen hatten Menschen das Leben geraubt und die Eldar verraten, und Furcht und Hass waren zwischen jenen erweckt worden, die gegen ihn hätten einig sein sollen. Von jenem Tage an waren
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