Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Silmarillion

Das Silmarillion

Titel: Das Silmarillion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien , Christopher Tolkien
Vom Netzwerk:
während sie rannte, riss sie sich die Kleider herunter, bis sie ganz nackt war; und nach Norden laufend, entschwand sie aus ihrer Sicht, und obgleich sie lange nach ihr suchten, fanden sie keine Spur von ihr. Zuletzt kehrte Mablung verzweifelt nach Menegroth zurück und berichtete das Vorgefallene. Da waren Thingol und Melian voller Kummer; Mablung aber zog aus und forschte lange vergebens nach Morwen und Nienor.
    Nienor aber lief weiter in die Wälder hinein, bis sie nicht mehr konnte, dann fiel sie hin und schlief und erwachte wieder; und es war ein sonniger Morgen, und sie freute sich über das Licht wie über etwas ganz Neues, und auch alle anderen Dinge, die sie sah, erschienen ihr neu und fremd, denn sie wusste keine Namen für sie. An nichts erinnerte sie sich als an ein Dunkel, das hinter ihr lag, und an einen furchtbaren Schatten; daher wanderte sie scheu umher wie ein gejagtes Wild und litt Hunger, denn sie hatte nichts zu essen und wusste sich nicht zu helfen. Doch als sie an die Teiglin-Stege kam, da ging sie hinüber, dem Schutz der großen Bäume von Brethil zustrebend, denn sie fürchtete sich, und es schien ihr, als ob das Dunkel sie wieder überholte, vor dem sie geflohen war.
    Doch es war nur ein großes Unwetter, das von Süden heraufzog, und voll Entsetzen warf sie sich auf den Hügel Haudh-en-Elleth nieder und hielt sich die Ohren zu gegen den Donner; aber der Regen prasselte auf sie nieder und durchnässte sie, und sie lag da wie ein wildes Tier im Sterben. Dort fand sie Turambar, der zu den Teiglin-Stegen kam, weil er gehört hatte, dass Orks in der Nähe streunten; und als er im Aufleuchten eines Blitzes den scheinbar toten Körper eines Mädchens auf Finduilas’ Hügel liegen sah, da traf es ihn ins Herz. Die Waldleute aber hoben sie auf, und Turambar legte seinen Mantel über sie, und man brachte sie zu einer nahen Hütte, wärmte sie und gab ihr zu essen. Undsobald sie Turambar erblickt hatte, war sie getröstet, denn es schien ihr, als hätte sie nun doch wenigstens etwas gefunden, das sie im Dunkel gesucht hatte; und sie wollte sich nicht von ihm trennen. Als er sie aber nach ihrem Namen, ihrer Sippe und ihrem Missgeschick fragte, da wurde sie verängstigt wie ein Kind, wenn es merkt, dass man etwas von ihm verlangt, aber nicht verstehen kann, was es sein mag, und sie weinte. So sagte Turambar: »Sei unbesorgt! Deine Geschichte kann warten. Doch einen Namen will ich dir geben, und ich nenne dich Níniel, Tränenmädchen.« Und bei diesem Namen schüttelte sie den Kopf, sagte aber: »Níniel.« Das war das erste Wort, das sie nach der Dunkelheit sprach, und es blieb für immer ihr Name unter den Waldleuten.
    Am nächsten Tag trug man sie zum Ephel Brandir; doch als sie zur Dimrost, der Regentreppe, kamen, wo der wilde Bach Celebros zum Teiglin hinabstürzt, da befiel sie ein heftiges Erschauern, weshalb jener Ort später Nen Girith genannt wurde, das Schauderwasser. Bis sie zu dem Dorf der Waldleute auf dem Amon Obel kamen, war sie an einem Fieber erkrankt; und lange lag sie darnieder, gepflegt von den Frauen von Brethil, die sie sprechen lehrten wie ein kleines Kind. Bevor es aber Herbst wurde, hatte Brandirs Kunst sie von ihrer Krankheit geheilt, und sie konnte nun sprechen; dennoch erinnerte sie sich an nichts aus der Zeit, bevor Turambar sie auf dem Hügel Haudh-en-Elleth gefunden hatte. Und Brandir liebte sie, doch ihr Herz war ganz Turambar ergeben.
    In dieser Zeit wurden die Waldleute nicht von den Orks behelligt, und Turambar ging nicht in den Krieg, und in Brethil war Frieden. Sein Herz wandte sich Níniel zu, und er verlangte sie zum Weibe; doch fürs Erste zögerte sie, obgleich sie ihn liebte. Denn Brandir ahnte, er wusste nicht,was, und er bemühte sich, sie zurückzuhalten, mehr um ihretwillen als zum eigenen Vorteil oder aus Nebenbuhlerschaft gegen Turambar; und er verriet ihr, dass Turambar Túrin war, Húrins Sohn, und wenn sie auch den Namen nicht erkannte, fiel doch ein Schatten auf ihr Gemüt.
    Als aber drei Jahre seit der Vernichtung von Nargothrond vergangen waren, fragte Turambar Níniel abermals und gelobte, nun solle sie sein Weib werden, oder er werde seinen Krieg in der Wildnis wieder aufnehmen. Und Níniel willigte mit Freuden ein, und am Mittsommertag wurden sie vermählt, und die Waldleute feierten ein großes Fest. Doch ehe das Jahr noch zu Ende war, schickte Glaurung aus seinem Gebiet Orks gegen Brethil; und Turambar saß tatenlos daheim, denn er hatte

Weitere Kostenlose Bücher