Das Silmarillion
Hunthor, nicht der Furchtsamste aus dem Volke Haleths.
Da nahm Turambar allen Willen und Mut zusammen und erstieg die Klippe allein und kam unter den Drachen. Dann zog er Gurthang, und mit aller Kraft, die der Hass seinem Arm gab, stieß er das Schwert bis zum Heft in den weichen Bauch des Wurms. Als aber Glaurung die Todeswunde spürte, da schrie er laut auf, und in seiner grässlichen Qual riss er den Rumpf in die Höhe, warf sich über die Schlucht hinweg und lag da auf der anderen Seite, sich krümmend und um sich peitschend im Todeskampf. Und alles um sich her setzte er in Brand, und alles schlug er entzwei, bis sein letztes Feuer erstarb und er ganz still lag.
Gurthang nun war Turambar in Glaurungs Todeszucken aus der Hand gerissen worden, und es stak noch im Leibe des Drachen. Daher durchquerte Turambar noch einmal das Wasser, um sein Schwert zu holen und seinen Feind zu betrachten; und er fand ihn der Länge nach ausgestreckt und auf die eine Seite gerollt, und das Heft von Gurthang ragte aus seinem Bauche. Da packte Turambar das Heft, stemmte einen Fuß gegen den Bauch und rief zum Hohn auf den Drachen und seine Worte in Nargothrond: »Gegrüßt seist du, Wurm Morgoths! Abermals gut getroffen. Stirb nun, und das Dunkel soll dich haben! So hat sich Túrin, Húrins Sohn, gerächt!«
Dann riss er das Schwert heraus, doch ein Strahl schwarzen Blutes quoll hinterdrein und traf seine Hand, und das Gift verbrannte sie. Und darauf öffnete Glaurung die Augen und sah Turambar mit solcher Bosheit an, dass es ihn traf wie ein Schlag; und von diesem Schlag und von dem Schmerz des Giftes sank er ins Dunkel einer Ohnmacht, und er lag da wie ein Toter, sein Schwert unter sich.
Glaurungs Schreie tönten durch die Wälder und drangen zu dem Volk, das am Nen Girith wartete; und als jene, die siehörten und Ausschau hielten, von fern die Verwüstung und den Brand sahen, die der Drache anrichtete, da meinten sie, dass er gesiegt habe und nun seine Angreifer vernichte. Und Níniel saß erschauernd an dem Wasserfall, und als sie Glaurungs Stimme hörte, da kroch das Dunkel wieder über sie, so dass sie sich nicht aus eigenem Willen von der Stelle zu rühren vermochte.
So fand sie Brandir, denn er kam als Letzter nach Nen Girith, müde und humpelnd; und als er hörte, der Drache habe den Fluss überquert und seine Feinde niedergemacht, da schmolz sein Herz vor Mitleid mit Níniel. Doch zugleich dachte er: ›Turambar ist tot, aber Níniel lebt. Nun kann es sein, dass sie mit mir geht, und ich werde sie davonführen, und so werden wir zusammen dem Drachen entkommen.‹ Nach einer Weile trat er daher zu Níniel und sagte: »Komm, es ist Zeit, dass wir gehen. Wenn du willst, so lass mich dich führen.« Und er nahm sie bei der Hand, und sie stand schweigend auf und folgte ihm; und in der Dunkelheit sah keiner, wie sie gingen.
Doch als sie den Weg zu den Stegen hinabkamen, ging der Mond auf und warf ein graues Licht über das Land, und Níniel sagte: »Ist dies der Weg?« Und Brandir antwortete, einen Weg wisse er nicht, nur gälte es, so gut sie könnten, vor Glaurung zu fliehen und in die Wildnis zu entkommen. Níniel aber sagte: »Das Schwarze Schwert war mein Geliebter und mein Gatte, und nur ihn will ich suchen. Was konntest du andres denken?« Und sie eilte ihm voraus. So ging sie auf die Teiglin-Stege zu und erblickte Haudh-en-Elleth im weißen Mondlicht, und großes Entsetzen kam über sie. Dann wandte sie sich fort mit einem Schrei, den Mantel abwerfend, und floh den Fluss entlang nach Süden, und ihr weißes Gewand leuchtete im Mondschein.
So sah sie Brandir vom Hang des Hügels hinunter, und er wandte sich seitwärts, um ihr den Weg abzuschneiden, doch war er immer noch hinter ihr zurück, als sie zu den Verwüstungen Glaurungs am Rande der Schlucht von Cabed-en-Aras kam. Da sah sie den Drachen liegen, doch seiner achtete sie nicht, denn ein Mann lag neben ihm; und sie rannte zu Turambar hin, vergebens seinen Namen rufend. Als sie nun sah, dass seine Hand verbrannt war, da wusch sie das Gift mit ihren Tränen ab und machte einen Verband aus einem Streifen von ihrem Gewande; und sie küsste ihn und flehte ihn von neuem an, zu erwachen. In diesem Augenblick rührte sich Glaurung zum letzten Male, ehe er starb, und er sprach mit seinem letzten Atem und sagte: »Gegrüßt seist du, Nienor, Húrins Tochter. So sehen wir uns wieder vor dem Ende. Dir gönn ich’s, dass du endlich deinen Bruder gefunden. Und nun lerne ihn
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