Das Silmarillion
Kaien in der Stadt an. Nach beiden Seiten hin erbauten sie noch weitere feste Plätze: nach Osten zu Minas Ithil, den Turm des aufgehenden Mondes, auf einem Vorsprung des Schattengebirges als Drohung gegen Mordor, und nach Westen zu Minas Anor, den Turm der untergehenden Sonne, am Fuß des Berges Mindolluin, zum Schutz gegen die wilden Menschen in den Tälern. In Minas Ithil war Isildurs und in Minas Anor war Anárions Haus, doch regierten sie das Reich gemeinsam, und ihre Throne standen Seite an Seite in der Großen Halle von Osgiliath. Dies waren die Städte der Númenórer in Gondor, doch auch an anderen Orten im Lande errichteten sie in den Tagen ihrer Macht starke und herrliche Bauten und Standbilder, bei den Argonath, bei Aglarond und am Erech; und im Ring von Angrenost, das die Menschen Isengart nannten, bauten sie aus unzerbrechlichem Stein den Turm von Orthanc.
Viele Schätze und Erbstücke von Macht und Wert hatten die Flüchtlinge aus Númenor mitgebracht, und deren berühmteste waren die Sieben Steine und der Weiße Baum. Der Weiße Baum war aus dem Samen Nimloths des Schönen entsprossen, der in den Königsgärten von Armenelos in Númenor stand, bis ihn Sauron verbrannte; Nimloth wieder stammte von dem Baum von Tirion ab, und der war ein Abbild des Ältesten Baumes, Telperions des Weißen, den Yavanna im Lande der Valar hatte wachsen lassen. Zum Andenken an die Eldar und das Licht von Valinor wurde derBaum in Minas Ithil vor Isildurs Haus eingepflanzt, denn Isildur war es, der eine Frucht Nimloths vor der Vernichtung gerettet hatte; die Sieben Steine aber wurden aufgeteilt.
Drei nahm Elendil, und je zwei nahmen seine Söhne. Elendils Steine wurden in den Türmen auf den Emyn Beraid, auf dem Amon Sûl und in der Stadt Annúminas verwahrt, die seiner Söhne aber in Minas Ithil und Minas Anor, in Orthanc und in Osgiliath. Die Steine hatten die Kraft, dass jeder, der in sie hineinblickte, Dinge darin zu erkennen vermochte, die weit in der Ferne lagen, ob an fernem Ort oder in ferner Zeit. Gewöhnlich zeigten sie nur, was sich in der Nähe eines der Geschwistersteine befand, denn jeder der Steine hielt mit jedem anderen Verbindung; wer aber von großer Willens- und Geisteskraft war, konnte lernen, ihren Blick zu lenken, wohin immer er wollte. So wurden die Númenórer vieler Dinge gewahr, die ihre Feinde zu verbergen gedachten, und weniges nur entging ihrer Wachsamkeit in den Tagen ihrer Macht.
Es heißt, die Türme auf den Emyn Beraid seien nicht von den Flüchtlingen aus Númenor selbst, sondern von Gil-galad für seinen Freund Elendil erbaut worden; und der Sehende Stein der Emyn Beraid wurde im Elostirion verwahrt, dem höchsten der Türme. Dorthin pflegte Elendil sich zurückzuziehen, und von dort starrte er hinaus auf das Scheidemeer, wenn das Heimweh über ihn kam; und manche glauben, zuweilen habe er so bis zum fernen Turm von Avallóne gesehen, wo der Meisterstein stand und noch immer steht. Die Steine hatten die Eldar Amandil geschenkt, Elendils Vater, um die Getreuen von Númenor in den dunklen Tagen zu trösten, als die Elben nicht länger in das Land kommen konnten, das unter Saurons Schatten lag. Die Palantíri wurden sie genannt, die von weither Sehenden; dochalle, die nach Mittelerde gebracht worden waren, gingen schon vor langer Zeit verloren.
So gründeten die Flüchtlinge aus Númenor ihre Reiche in Arnor und Gondor; doch ehe noch viele Jahre vergangen waren, merkten sie, dass auch ihr Feind Sauron zurückgekehrt war. Er kam, wie erzählt wurde, heimlich in sein altes Königreich Mordor jenseits des Ephel Dúath, des Schattengebirges, und dieses Land grenzte im Osten an Gondor. Dort, über der Hochebene von Gorgoroth, stand seine gewaltige Festung Barad-dûr, der Dunkle Turm, und im Lande gab es einen feuerspeienden Berg, den die Elben Orodruin nannten. Dies war der Grund, warum Sauron vor langer Zeit seinen Sitz dort genommen, denn des Feuers, das aus dem Herzen der Erde quoll, bediente er sich zum Schmieden und zu seinen Zauberwerken; dort auch, in Mordor, hatte er den Herrscherring geschmiedet. Da brütete er nun im Dunkeln, bis er sich eine neue Gestalt gewirkt hatte; und nun war er entsetzlich anzusehen, denn seiner freundlichen Erscheinung war er für immer ledig, seit er beim Untergang von Númenor mit in den Abgrund gestürzt war. Er nahm den Großen Ring wieder an sich und umkleidete sich mit Macht; und dem Grausamen Auge Saurons hielten auch von den Großen unter Elben und
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