Das Silmarillion
Ered Luin zu überschreiten oder die Anfurten anzugreifen. Überall sonst herrschte Sauron, und wer frei bleiben wollte, suchte Zuflucht in den dichten Wäldern und in den Bergen und lebte in steter Furcht. Im Osten und Süden standen fast alle Menschen unter seiner Herrschaft, und sie wurden stark in jener Zeit und bauten viele Städte und Mauern aus Stein; und zahlreich waren sie, mit Eisen bewehrt und kriegswütig. Sauron war ihr König und ihr Gott, den sie über alles fürchteten, denn er umgab seinen Sitz mit Feuer.
Endlich aber kam Saurons Vordringen gegen die westlichen Lande zum Halt. Denn, wie in der Akallabêth berichtet wird, zog die Streitmacht der Númenórer gegen ihn aus. So groß waren Macht und Ruhm der Númenórer in der Glanzzeit ihres Reiches, dass Saurons Diener ihnen nicht standhalten konnten, und um mit List zu erreichen, wozu Gewalt nicht genügte, verließ er für eine Weile Mittelerde und ging als Geisel des Königs Tar-Calion nach Númenor. Und dort blieb er, bis er am Ende durch seinen Trug die meisten der Númenórer im Herzen verdorben und zum Krieg gegen die Valar angestiftet hatte; und so trieb er sie in den Untergang, wie er es lange erstrebt hatte. Doch schrecklicher, als Sauron vorausgesehen, war ihr Sturz, denn er hatte vergessen, was alles die mächtigen Herren im Westen in ihrem Zorne vermochten. Die Welt ging in Trümmer, das Land wurde verschlungen, und die Meere brachen darüber herein, und Sauron selbst fuhr mit hinab in den Abgrund. Doch sein Geist stieg wieder empor und floh auf einem dunklen Wind zurück nach Mittelerde, Heimstatt suchend. Dort sah er, dass Gil-galads Macht in den Jahren seiner Abwesenheit gewachsen war. Sie reichte nun über weite Gebiete im Norden und Westen, über das Nebelgebirge und den Großen Strom hinaus bis an die Grenzen des Großen Grünwalds; selbst seine Hochburgen, wo er einst unbestritten geherrscht hatte, waren nicht mehr sicher. Da zog sich Sauron in seine Festung im Schwarzen Land zurück und sann auf Krieg.
Zu dieser Zeit flohen diejenigen Númenórer, die der Vernichtung entgangen waren, nach Osten, wie in der Akallabêth berichtet. Elendil der Lange und seine Söhne Isildur und Anárion waren ihre Häupter. Blutsverwandte des Königs waren sie, Nachkommen Elros’, doch hatten sie nichtauf Sauron gehört und sich geweigert, mit in den Krieg gegen die Herren des Westens zu ziehen. Sie bemannten ihre Schiffe mit allen, die treu geblieben waren, und kehrten dem Lande Númenor den Rücken, ehe das Verderben hereinbrach. Kühne Männer waren sie, und ihre Schiffe waren groß und fest, doch die Stürme holten sie ein und schleuderten sie auf Bergen von Wasser bis in die Wolken, und wie Sturmvögel fielen sie auf Mittelerde hinab.
Elendil warfen die Wellen in Lindon an Land, und Gil-galad nahm ihn freundlich auf. Dann wanderte er den Fluss Lhûn aufwärts, und jenseits der Ered Luin gründete er sein Reich, und sein Volk lebte an vielen Orten in Eriador, an den Ufern des Lhûn und des Baranduin; seine Hauptstadt aber war Annúminas am Ufer des Nenuial-Sees. Auch in Fornost im Nördlichen Hügelland, in Cardolan und in den Bergen von Rhudaur wohnten die Númenórer; und Türme errichteten sie auf den Emyn Beraid und dem Amon Sûl; und viele Hügelgräber und verfallene Bauten finden sich an jenen Orten erhalten, die Türme der Emyn Beraid aber blicken immer noch zum Meer hin.
Isildur und Anárion wurden nach Süden getrieben, und schließlich führten sie ihre Schiffe den Großen Strom, den Anduin, hinauf, der aus Rhovanion kommt und in der Bucht von Belfalas ins Westmeer mündet; und sie gründeten ein Reich in jenen Landen, die später Gondor hießen, während das Nördliche Königreich Arnor hieß. Lange zuvor schon, in der Zeit ihrer Macht, hatten die Seefahrer von Númenor an den Mündungen des Anduin einen Hafen und befestigte Plätze errichtet, gegen Sauron im Schwarzen Land, das nahebei im Osten lag. In späterer Zeit liefen nur mehr die Getreuen von Númenor diesen Hafen an, und daher waren aus dem Volk jener Küstengegenden viele mit den Elbenfreunden und dem Volke Elendils verwandt oder verschwägert, und sie hießen seine Söhne willkommen. Die Hauptstadt dieses südlichen Reiches war Osgiliath, durch das der Große Strom mitten hindurchfloss; und die Númenórer bauten dort eine große Brücke, mit Türmen und Häusern aus Stein darauf, herrlich zu schauen; und große Schiffe kamen von der See heraufgefahren und legten an den
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