Das Silmarillion
dass ein Geschrei wie von unzähligen kraftvollen Stimmen alle Küsten des Nordens erfüllte; und den Lärm vom Brand der Schiffe bei Losgar trugen die Seewinde fort als ein grimmiges Getöse, und alle, die in der Ferne diese Laute hörten, waren voller Verwunderung.
Nun sahen die Flammen des Brandes nicht nur Fingolfin und jene, die Feanor in Araman im Stich gelassen hatte, sondern auch die Orks und die Späher Morgoths. Keine Erzählung berichtet, was Morgoth im Herzen dachte bei der Nachricht, dass Feanor, sein bitterster Feind, ein Heer aus dem Westen heranführte. Es mag sein, dass er ihn wenig fürchtete, denn noch hatten die Schwerter der Noldor ihm keine Probe geleistet, und bald konnte man sehen, dass er sie ins Meer zurückzutreiben gedachte.
Unter den kalten Sternen, ehe der Mond aufging, zog Feanors Schar den langen Fjord von Drengist hinauf, der die Echoberge der Ered Lómin durchschnitt; und so drangen sievon der Küste in das große Land Hithlum hinein. Schließlich kamen sie an den langen Mithrim-See, und an dessen Nordufer, in der Gegend gleichen Namens, schlugen sie ihr Lager auf. Doch Morgoths Heer, durch das Getöse von Lammoth und den Schein des Brandes bei Losgar aufmerksam gemacht, kam über die Pässe der Ered Wethrin, der Schattenberge, und griff Feanor unversehens an, ehe sein Lager noch fertig oder zur Verteidigung gerüstet war; und dort, auf den grauen Feldern von Mithrim, wurde die Zweite Schlacht in den Kriegen von Beleriand geschlagen. Dagor-nuin-Giliath wird sie genannt, die Schlacht-unter-Sternen, denn noch war der Mond nicht aufgegangen; und sie wird in den Liedern besungen. Die Noldor, obgleich in der Minderzahl und vom Feind überrascht, trugen doch schnell den Sieg davon, denn das Licht von Aman war in ihren Augen noch ungetrübt, und sie waren stark und behend und furchtbar im Zorn, und ihre Schwerter waren lang und tödlich. Die Orks flohen vor ihnen und wurden unter großem Gemetzel aus Mithrim vertrieben und über das Schattengebirge in die weite Ebene von Ard-galen gejagt, die nördlich von Dorthonion lag. Dort kamen jene Heere Morgoths ihnen zu Hilfe, die aus dem Süden heimkehrten, wo sie ins Tal des Sirion vorgedrungen waren und Círdan in den Häfen der Falas belagert hatten; und auch sie gerieten mit ins Verderben. Denn Celegorm, Feanors Sohn, der von ihrem Kommen Meldung hatte, lauerte ihnen mit einem Teil des Elbenheeres auf und jagte sie, von den Hügeln bei Eithel Sirion auf sie hinabstoßend, ins Fenn von Serech. Schlechte Nachricht also kam zuletzt nach Angband, und Morgoth war in Sorgen. Zehn Tage hatte die Schlacht gedauert, und nur mehr ein paar Häuflein kehrten von all den Scharen zurück, die er gerüstet hatte, um Beleriand zu erobern.
Doch einen Grund zu großer Freude hatte er, auch wenn der ihm noch eine Weile verborgen blieb. Denn Feanor, in seinem Hass auf den Feind, kannte kein Halten, und immer weiter drang er hinter den Resten der Orks her, hoffte er doch, so bis zu Morgoth selbst vorzustoßen; und er lachte laut, als er sein Schwert übte, und froh war er, den Zorn der Valar und die Gefahren des Weges nicht gescheut zu haben, wenn er die Stunde seiner Rache erleben könnte. Nichts wusste er von Angband und der großen Verteidigungsmacht, die Morgoth rasch gerüstet hatte; doch hätte er es auch gewusst, es hätte ihn nicht geschreckt, denn er war verdammt, und die Flamme des eignen Zorns verzehrte ihn. So kam es, dass er der Vorhut seines Heeres weit voraus war; und die Diener Morgoths, als sie dies sahen, stellten sich zum Kampf, und aus Angband eilten Balrogs zu ihrer Hilfe herbei. An der Grenze von Dor Daedeloth, dem Lande Morgoths, wurde Feanor umzingelt, und keine Freunde umgaben ihn dort. Lange focht er unverzagt, in Flammen gehüllt und aus vielen Wunden blutend, zuletzt aber schlug ihn Gothmog zu Boden, der Fürst der Balrogs, den später Ecthelion in Gondolin erschlug. Dort wäre Feanor umgekommen, wären nicht in diesem Augenblick seine Söhne mit Macht zu ihm durchgedrungen; und die Balrogs ließen ihn liegen und zogen sich nach Angband zurück.
Nun hoben die Söhne ihren Vater auf und trugen ihn zurück, nach Mithrim zu. Doch als sie sich Eithel Sirion näherten und den Gebirgspass hinaufstiegen, gebot Feanor ihnen Halt, denn seine Wunden waren tödlich, und er wusste, sein Ende war da. Und von den Hängen der Ered Wethrin erblickte er mit seinem letzten Augenlicht in der Ferne die Gipfel von Thangorodrim, die mächtigsten Türme
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