Das Silmarillion
Freundschaft erwiesen, wann immer ich ihrer bedurfte, doch befürchte ich, für dich werden sie weder Neigung noch Erbarmen kennen, wenn sie deinen Auftrag erfahren. Doch gilt mein Eid, und so sind wir alle gebunden.«
Dann sprach Felagund zu seinem Gefolge, an Barahirs Taten und an seinen eigenen Eid erinnernd; und er erklärte, auferlegt sei es ihm, Barahirs Sohn in seiner Not zu helfen, und dazu erbat er die Hilfe seiner Edlen. Da erhob sich Celegorm aus der Menge, zog sein Schwert und rief aus: »Er mag Freund oder Feind sein, ein Dämon Morgoths, Elb oder Menschenkind oder was immer lebt auf Arda, doch kein Gesetz, nicht Freundschaft noch Bund der Hölle oder Kraft der Valar, noch irgendeine Zaubermacht soll ihn vor dem Hass von Feanors Söhnen schützen, wenn er einen Silmaril nimmt oder findet und ihn behält. Denn die Silmaril gehören uns allein, bis an der Welt Ende.«
Noch viele Worte machte er, ebenso starke wie vor Zeiten in Tirion sein Vater, als er die Noldor erstmals zum Aufruhr entflammte. Und nach Celegorm sprach Curufin, bedächtiger, doch mit nicht geringerer Kraft; er beschwor im Geiste der Elben ein Gesicht herauf, von Krieg und von der Zerstörung Nargothronds. Solche Furcht pflanzte er ihnen ins Herz, dass fortan bis zur Zeit Túrins kein Elb aus jenem Reiche mehr offen in die Schlacht ziehen mochte; doch heimlich und aus dem Hinterhalt, mit Hexenkunst und vergifteten Pfeilen verfolgten sie alle Fremden, auch der Blutsbande nicht achtend. So verrieten sie den Mut und die Freiheit der Elben von einst, und ihr Land wurde dunkel.
Und jetzt murrten sie, kein Vala sei er, Finarfins Sohn, dass er ihnen befehlen dürfe, und sie wandten die Gesichter von ihm ab. Doch Mandos’ Fluch kam über die Brüder, und dunkle Gedanken stiegen ihnen ins Herz, und sie gedachten, Felagund allein in den Tod zu schicken und dann vielleicht seinen Thron in Nargothrond an sich zu reißen, waren sie doch von der ältesten Linie der Noldorprinzen.
Und Felagund, der sich verlassen sah, nahm die silberne Krone von Nargothrond vom Kopfe, warf sie vor seine Füße und sagte: »Euren Treueid gegen mich mögt ihr brechen, ich aber muss meinen Eid halten. Doch wenn noch manche da sind, auf welche der Schatten unseres Fluchs noch nicht gefallen ist, so finde ich wohl einige wenige, die mir folgen, und muss nicht wie ein Bettler von hinnen ziehen, dem man die Tür gewiesen.« Zehn waren es, die zu ihm standen, und ihr Anführer, Edrahil mit Namen, bückte sich und hob die Krone auf, verlangend, dass sie bis zu Felagunds Heimkehr einem Regenten anvertraut werde. »Denn mein König bleibst du, und der ihre«, sagte er, »was auch geschehe.«
Da gab Felagund die Krone von Nargothrond seinem Bruder Orodreth, dass er an seiner Statt regiere; und Celegorm und Curufin sagten nichts, sondern lächelten und verließen die Hallen.
An einem Herbstabend brachen Felagund und Beren mit ihren zehn Gefährten von Nargothrond auf, und sie zogen den Narog entlang bis zu seiner Quelle in den Fällen von Ivrin. Am Fuß des Schattengebirges stießen sie auf eine Schar Orks und erschlugen sie alle in ihrem Nachtlager und nahmen ihnen die Kleider und Waffen ab. Durch Felagunds Künste wurden ihre eigenen Gestalten und Gesichter verwandelt, so dass sie wie Orks aussahen, und in dieser Verkleidung kamen sie weit auf ihrem Weg nach Norden voran und wagten sich in den West-Pass zwischen den Ered Wethrin und dem Hochland von Taur-nu-Fuin. Doch Sauron in seinem Turm hatte sie ins Auge gefasst, und Zweifel kamen ihm, denn sie eilten vorüber und hielten nicht, um zu melden, was sie getan, wie es allen Dienern Morgoths auf diesem Wege geboten war. Daher ließ er sie anhalten, und sie wurden ihm vorgeführt.
So kam es zu dem berühmten Wettgesang Saurons mit Felagund. Denn Felagund konnte sich in Zauberliedern mit Sauron messen, und die Macht des Königs war sehr groß; zuletzt aber behielt Sauron die Oberhand, wie es im Leithian-Lied heißt:
Ein Lied sang er von Hexenkraft,
Das aufschließt, durchdringt, Einblick schafft,
Verrät, enthüllt, begünstigt, droht.
Doch plötzlich Felagund in der Not
Mit Sang sich wehrte, Halt gebot,
Singend zum Trotz dem Zauberwerke
von Wissenwahrung, Turmesstärke,
Umgangnem Trug und Hinterhalt,
Vom Tausch und Wechsel der Gestalt,
Von Freiheit, Flucht, getreuem Sinn:
Die Kette bricht, die Kerker sinken hin.
Hin wogt und her der beiden Sang,
Schwellend, ermattend, und Felagund rang
Schwer und
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