Das Silmarillion
fledermausähnliches Geschöpf sah, das sich mit Fingerflügeln an seine Seite klammerte. Dann sprang er, den Mond anheulend, den Hügel hinab, und die Fledermaus schlug ein Rad und flatterte über ihm.
Durch alle Gefahren hindurch kamen sie schließlich, staubbedeckt von ihrer langen und beschwerlichen Reise, in das öde Tal vor dem Tor von Angband. Schwarze Klüfte öffneten sich am Rand ihres Weges, aus denen Gestalten wie von Schlangen hervorringelten. Zu beiden Seiten standen die Klippen aufgereiht wie Festungsmauern, und darauf saßen Aasvögel und krächzten mit hungrigen Stimmen. Vor ihnen lag das undurchdringliche Tor, ein großer dunkler Bogen zu Füßen des Berges, und darüber erhob sich tausend Fuß hoch ein Felsen.
Dort ergriff sie die Furcht, denn am Tor stand ein Wächter, von dem noch keine Kunde hinausgelangt war. Gerüchte von Plänen, er wusste nicht welchen, unter den Elbenprinzen waren zu Morgoth gedrungen, und immer wieder hörte man aus den Waldschneisen Huan bellen, den großen Kriegshund, den vor langer Zeit die Valar losgelassen. Dann erinnerte sich Morgoth, welches Schicksal Huan verheißen war, und er wählte einen der Welpen von Draugluins Rasse aus und fütterte ihn eigenhändig mit lebendem Fleisch und gab ihm von seiner eigenen Kraft. Rasch wuchs der Wolf, bis er in keinen Zwinger mehr passte, sondern stets wie ein hungriger Riese zu Morgoths Füßen lag. Dort drangen Feuer und Schmerz der Hölle in ihn ein, und er wurde voneinem unersättlichen Geiste erfüllt, gemartert, schrecklich und stark. Carcharoth, der Rote Rachen, wird er in den Geschichten aus jenen Tagen geheißen, oder Anfauglir, das Maul des Durstes. Und Morgoth hieß ihn vor dem Tor von Angband liegen, ohne zu schlafen, weil vielleicht Huan käme.
Jetzt hatte Carcharoth sie schon von weitem erblickt, und er war voller Zweifel, denn längst war Meldung nach Angband gekommen, dass Draugluin tot sei. Als sie sich daher nahten, versperrte er ihnen den Weg, und sie mussten stehen bleiben; und drohend kam er auf sie zu, nach etwas Merkwürdigem in der Luft um sie her schnüffelnd. Da plötzlich kam eine alte Kraft, ein Erbteil des göttlichen Geschlechts, über Lúthien, und sie trat vor, ihr ekles Gewand abwerfend, und stand vor dem Koloss, klein, doch strahlend und furchtgebietend. Die Hand erhebend, gebot sie ihm zu schlafen und sagte: »O du jammervoller Geist, sinke nun ins Dunkel des Schlafs, und vergiss für eine Zeit die furchtbare Strafe des Lebens.« Und Carcharoth sank hin, wie vom Blitz getroffen.
Nun durchschritten Beren und Lúthien das Tor und stiegen die labyrinthischen Treppen hinab; und zusammen vollbrachten sie die größte Tat, die je Elb oder Mensch gewagt. Denn sie kamen zu Morgoths Thron, in seiner tiefsten Halle, die von Grauen gestützt und von Feuer erhellt und mit Mord- und Marterwaffen geschmückt war. Dort sank Beren in Wolfsgestalt vor Morgoths Thron zu Boden; Lúthien aber wurde durch Morgoths Willen ihrer Verkleidung beraubt, und er richtete den Blick auf sie. Seine Augen bannten sie nicht; sie nannte ihren Namen und bot nach Art eines fahrenden Sängers ihre Dienste an, vor ihm zu singen. Da erfasste Morgoth, als er ihre Schönheit sah, im Geiste einböses Gelüst, und ein schwärzerer Plan als je einer seit seiner Flucht aus Valinor kam ihm ins Herz. So betrog ihn die eigene Tücke, denn er sah ihr zu und ließ ihr für einen Augenblick Freiheit, sich heimlich an seinem Gedanken weidend. Dann plötzlich entwich sie aus seinem Blick, und aus dem Schatten stimmte sie ein Lied an, von so bezwingendem Liebreiz und so blendender Gewalt, dass er nicht anders konnte als lauschen; und Blindheit kam über ihn, als seine Augen hin und her schweifend nach ihr suchten.
Sein ganzer Hofstaat fiel in Schlaf, und alle Feuer brannten nieder und erloschen; die Silmaril aber in der Krone auf Morgoths Haupt loderten plötzlich in weißem Flammenschein auf, und die Bürde der Krone und der Edelsteine drückte sein Haupt nieder, als trüge er die Welt darauf, beladen mit einer Last von Leid, Furcht und Begehren, die selbst Morgoths Wille nicht zu tragen vermochte. Dann sprang Lúthien, ihr Flügelkleid aufnehmend, in die Luft hinauf, und nun kam ihre Stimme herniedergerauscht wie Regen auf tiefe, dunkle Teiche. Sie schwang ihren Mantel vor seinen Augen und gab ihm einen Traum, dunkel wie die Äußere Leere, wo er einst allein gewandert war. Plötzlich, donnernd wie eine Lawine, fiel er vom Thron und lag lang
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