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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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durchsetzt von etwas helleren Flecken.
    Ihre Gedanken waren schrecklich träge, sie krochen zäh wie Lava durch ihren Geist.
    »Hallo.« Es klang heiser, aber doch gut verständlich. Einen Moment lang dachte sie darüber nach, ob sie das gerade gesagt hatte. Sie wusste es nicht sicher, aber hätte sie das nicht merken müssen? »Hallo, kannst du mich hören?«
    Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich an die Frau erinnerte, die das Monster zu ihr gebracht hatte. Sie musste irgendwo dort vor ihr an der Wand stehen. Oder war es hinter ihr?
Ja, ich kann dich hören
, wollte sie sagen, schaffte aber nur ein Krächzen, das für sie selbst nicht nach einem menschlichen Laut klang. Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder in der Hoffnung, die Schlieren damit abwischen zu können. Als sie noch immer nichts erkennen konnte, zwinkerte sie, immer und immer wieder, bis auf einmal der schmierige Film über dem rechten Auge riss und sie die Frau sehen konnte, die schräg vor ihr mit hochgebundenen Armen an der Wand stand. Das Klebeband klebte nur noch auf einer Seite an ihrer Wange, der Rest des Streifens hing über ihrem Mund lose herab.
    »Wer bist du?«, fragte die Stimme, und sie registrierte nun, dass sie nicht heiser klang, sondern angsterfüllt. »Bist du Heike Kleenkamp?«
    Sie versuchte es erneut mit einer Antwort, und dieses Mal waren es tatsächlich Worte, die ihren Mund verließen. Schwer zu verstehen vielleicht, aber sie war sicher, es waren richtige Worte. »Aa … Ja.«
    »Ich bin Nina Hartmann.«
    Vielleicht hatte sie den Namen noch nie gehört, vielleicht hatte sie ihn vergessen, es war egal. Etwas anderes musste sie wissen. »Wie … ehe … ih … aus? … Ücken?«
    Die Frau verstummte. Einen Moment lang starrte sie auf ihren Rücken, dann fing sie an zu weinen.

32
    Um kurz nach vier Uhr morgens standen sie vor dem Haus, zwei uniformierte Kollegen begleiteten sie. Ihren Streifenwagen hatten sie gleich hinter dem Golf auf der gegenüberliegenden Seite abgestellt. Matthiessen hielt einen braunen Umschlag in der Hand, in dem sich Fotos befanden. Sie hatte einige der Buchseiten abfotografieren und mit einem speziellen Drucker gleich vor Ort ausdrucken lassen.
    Anders als über Tag war die Haustür verschlossen, und sie mussten lange und oft klingeln, bis endlich das Licht im Treppenhaus anging, was sie durch den länglichen Einsatz aus geriffeltem Glas sehen konnten. Ein Schatten näherte sich und blieb als dunkler, unförmiger Fleck dicht hinter der Tür stehen. »Wer ist da, verdammt?« Es hörte sich durch die geschlossene Tür dumpf an, aber die Stimme gehörte ohne Zweifel zu Werner Lorth.
    Matthiessen räusperte sich. »Polizei. Hier spricht Hauptkommissarin Matthiessen. Öffnen Sie bitte.«
    Ein Moment herrschte Stille, dann: »Sind Sie verrückt geworden? Haben Sie mal auf die Uhr gesehen?« Er machte keine Anstalten, die Tür aufzuschließen.
    »Wir wissen, wie spät es ist, aber wir müssen dringend mit Ihnen reden. Öffnen Sie bitte.«
    »Jetzt reicht’s mir aber. Mitten in der Nacht. Kommen Sie morgen wieder.«
    »Mir reicht es auch langsam mit Ihnen, Herr Lorth«, sagte Erdmann scharf gegen die geschlossene Tür. »Es geht um Menschenleben, auch wenn die Ihnen vielleicht nicht viel bedeuten.« Kurzes Zögern, dann klackte es zweimal, und die Tür wurde geöffnet.
    Werner Lorth sah fürchterlich aus. Seine aschfahle Haut war von tiefen Furchen durchzogen, die strähnigen Haare standen in alle Richtungen vom Kopf ab. Er trug eine schmuddelige gestreifte Schlafanzughose und ein Feinrippunterhemd mit einem großen gelbbraunen Fleck auf dem Bauch. Die Füße steckten in grauen Filzpantoffeln, die Erdmann nur mit Handschuhen angefasst hätte. Sekunden nachdem er die Tür geöffnet hatte, nahm Erdmann den Geruch wahr, den Lorth verströmte, ein säuerliches Gemisch aus Alkohol, kaltem Zigarettenrauch und anderen, undefinierbaren, aber ekligen Ausdünstungen. Erdmann drehte sich der Magen um.
    Lorths Blick fiel zuerst auf die beiden Polizisten in Uniform. »Wir müssen mit Ihnen reden«, sagte Matthiessen erneut, nachdem sie den Lektor ebenfalls von oben bis unten gemustert hatte. Erst jetzt sah Lorth sie an. »Es deutet alles darauf hin, dass Herr Jahn derjenige ist, der die Frauen entführt und umgebracht hat. Er hatte einen schweren Unfall heute Nacht, als er versuchte, vor uns zu fliehen. Er liegt im Koma.«
    In Lorths Gesicht zeigte sich ein kurzes Zucken, dann sah er wieder an

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