Das Skript
selbstgemacht waren. Sie waren aus etwa fünf Millimeter starken, hölzernen Rundstäben gefertigt, in die an jeweils einer Kopfseite unterschiedlich dicke, etwa drei Zentimeter lange Haarbüschel in einen Schlitz gesteckt worden waren.
»Schätze, das dürfte die Kölner Kollegen interessieren.« Erdmann wandte sich an den Mann, der den Beutel noch immer an dem Drahtstück in die Höhe hielt. »Haben Sie schon nachgesehen, ob sonst noch was da drin rumschwimmt?«
»Ja, wir haben gründlich gesucht. Sonst ist da nichts.«
Erdmann stieß einen Fluch aus. Er blickte um sich und stellte dabei erneut fest, wie akribisch dieser Raum in dem alten Fabrikgebäude nachgebaut worden war.
»Wir informieren die Kölner Kollegen gleich morgen früh.« Matthiessen stand neben ihm. »Komm, lass uns weitermachen.«
Er nickte und ging hinter ihr zurück nach oben, um sich dort wieder dem Bücherregal im Wohnzimmer zu widmen. Etwa eine halbe Stunde später, Erdmann war mit dem Regal fertig und war mittlerweile mit dem Inhalt einiger Schubladen des massiven Wohnzimmerschranks beschäftigt, streckte Matthiessen den Kopf herein. »Komm mal bitte ins Arbeitszimmer.«
Als er Jahns Büro betrat, saß Matthiessen schon am Schreibtisch, zwei Männer standen hinter ihr und sahen über ihre Schulter. Sie machten Platz, so dass er sich neben seine Kollegin stellen konnte. Sie trug Handschuhe und hielt ein aufgeschlagenes Taschenbuch so in den Händen, dass sie es nur an den äußersten Rändern berührte. Nun klappte sie die linke Hälfte so weit zu, dass er das Cover sehen konnte. Es handelte sich um eine Ausgabe von
Das Skript
.
Als sie das Buch wieder öffnete und vor sich auf dem Schreibtisch ablegte, sah er, dass an einer Stelle der Rand mit einem kleinen, beschriebenen Schildchen beklebt war. Die Buchstaben waren so klein, dass Erdmann sie von seiner Position aus nicht lesen konnte. »Was ist das?«
»Das haben die Kollegen hier im Schreibtisch gefunden. Es war an die Unterseite einer Schublade geklebt. Schau’s dir an.«
Sie neigte den Oberkörper ein Stück zur Seite, hielt das Buch aber weiterhin geöffnet, indem sie zwei Finger auf die äußersten Ecken drückte. Erdmann lehnte sich nach vorne, um lesen zu können, was auf dem Schildchen stand. Es war ein Name, offensichtlich ausgedruckt, ausgeschnitten und dann in das Buch geklebt:
C. Jahn
»Was soll das?«
»Schau dir die Stelle an, hinter der der Name steht.«
Er las den Abschnitt auf der linken Seite, hinter dem das Schildchen angebracht war.
Er wartete neben einer Hecke an einer Stelle auf sie, die am dunkelsten Punkt in der Mitte zwischen zwei der weit auseinanderstehenden Straßenlaternen lag. Als sie direkt vor ihm war, machte er einen großen Schritt nach vorne und drückte ihr die Hand mit dem äthergetränkten Lappen auf den Mund, noch ehe sie in irgendeiner Weise reagieren konnte.
Als Matthiessen sah, dass er fertig war, blätterte sie zwei Seiten weiter. »Und hier.«
Auf dieser Doppelseite fanden sich zwei der Schildchen, eines war wieder mit
C. Jahn
beschriftet, auf dem anderen jedoch stand:
W. Lorth.
Erdmann sah sich den Abschnitt mit dem Namen des Lektors an.
Er musste das Hautstück behandeln, sonst würde innerhalb kürzester Zeit der Verwesungsprozess beginnen. Im Internet hatte er Webseiten gefunden, auf denen die verschiedenen Arten und einzelnen Schritte des Gerbens genau aufgeführt waren. Er hatte sich für ein Verfahren entschieden, das schnell ging und für seine Zwecke ausreichend erschien.
»Und?«, fragte Matthiessen, als er fertig war. »Was denkst du?«
Erdmann sah von dem Buch auf. »Gibt es viele dieser Namensschildchen?«
»Ja, sie tauchen auf vielen Seiten auf. Immer diese beiden Namen.«
»Hm. Vielleicht hat Jahn die Stellen markiert, die Lorth geändert hat.«
»Aber warum sollte er dann an andere Stellen seinen Namen kleben? Es ist doch klar, dass der Rest von ihm stammt. Außerdem sind diese Schildchen offenbar nur an Passagen angebracht, an denen der Täter aktiv wird.«
Erdmann nickte. »Bleibt die andere logische Erklärung.«
XIV
Zuvor
Es dauerte einige Zeit, bis ihre verkrusteten Lider sich voneinander lösten und sie die Augen öffnen konnte. Doch auch danach konnte sie nichts erkennen. Alles in ihrem Blickfeld sah aus, als betrachte sie es durch eine Scheibe, an der ohne Unterlass Wasser herunterlief. Es gab keine Konturen, alles war ein verwaschenes Ineinanderlaufen dunkler und schwarzer Schatten, hier und da
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