Das Skript
Matthiessen vorbei. Die Uniformen schienen ihn nervös zu machen. »Das habe ich Ihnen von Anfang an gesagt. Es war doch klar, dass nur er dahinterstecken kann. Und warum wecken Sie mich mitten in der Nacht? Nur um mir die Botschaft zu überbringen, dass ich recht hatte?«
»Wenn es nur das wäre, hätten wir den Weg nicht gemacht«, sagte Erdmann. »So wichtig wären Sie uns dann sicher nicht. Es deutet aber einiges darauf hin, dass Sie auch was mit der Sache zu tun haben.«
Lorths Kinn klappte nach unten. »Was? So ein Blödsinn. Wie kommen Sie denn auf so eine Idee? Jahn und ich haben ewig keinen Kontakt gehabt. Warum sollte ich …«
»Können wir reinkommen?« Matthiessens Stimme klang sachlich.
»Reinkommen? Nein. Ich sage überhaupt nichts mehr, schon gar nicht mitten in der Nacht. Und jetzt lassen Sie mich schlafen.« Er wollte die Tür zudrücken, doch Erdmann stemmte sich dagegen und schob sie wieder auf. Lorth hatte dem kaum etwas entgegenzusetzen.
»Ziehen Sie sich an, Herr Lorth«, sagte er in sachlichem Ton. »Sie kommen mit uns.«
»Was? Das können Sie nicht … Ich meine –«
»Und ob ich das kann. Los jetzt, anziehen.«
Lorths Hand, mit der er eben noch die Tür umklammerte hatte, sackte kraftlos herab. Er gab die Tür frei. »Also gut, tut mir leid. Ich habe nicht viel geschlafen und bin müde. Kommen Sie rein.«
Lorths Wohnung sah genauso aus wie bei ihrem letzten Besuch, und es roch auch ähnlich darin, vielleicht sogar noch etwas intensiver. Erdmann ging ohne Zögern zum Wohnzimmerfenster und öffnete es weit. Lorth sah ihm von der Couch aus dabei zu. »Brauche ich einen Anwalt?« Er klang mit einem Mal recht kleinlaut.
»Das hängt grundsätzlich davon ab, ob Sie kooperieren, und was Sie uns zu sagen haben.« Matthiessen setzte sich, Erdmann zog es vor, in Fensternähe stehen zu bleiben, zumindest, bis der Raum etwas durchgelüftet war. Ihre beiden Kollegen blieben neben der Wohnzimmertür stehen, sie hielten sich auf Matthiessens Anweisung im Hintergrund.
Lorths Blick wanderte suchend über den Tisch, dann tastete er mit beiden Händen an den Seiten seiner Schlafanzughose entlang.
Er sucht seine Kippen
, dachte Erdmann.
»Ich möchte ja kooperieren. Ich war nur gerade völlig überrascht, dass Sie tatsächlich denken, ich könnte was mit der Sache zu tun haben.«
Matthiessen zog die Fotos aus dem Umschlag und breitete sie vor Lorth aus. »Wir haben in Jahns Schreibtisch eine Ausgabe von
Das Skript
gefunden, in der er hinter verschiedene Passagen seinen Namen geschrieben hat, hinter andere aber auch Ihren. Sehen Sie, hier. Warum kann er das gemacht haben?«
»Vielleicht für sich selbst, um die wenigen Stellen zu finden, die er selbst geschrieben hat.« Lorth beugte sich nach vorne und betrachtete die Fotos genauer. »Nein …«, er deutete auf eine Stelle, an der sein Name stand. »Nein, hier steht mein Name hinter einem Abschnitt, der definitiv von Jahn ist. So etwas würde ich nie schreiben.« Er warf noch einen Blick auf die restlichen Abbildungen der Buchseiten, dann richtete er sich wieder auf und schob die Fotos demonstrativ ein Stück von sich. »Ich habe keine Ahnung, was das soll.«
Erdmann tauschte einen kurzen Blick mit Matthiessen. »Jede einzelne dieser Stellen, hinter denen ein Name steht, hat was mit dem Verbrechen zu tun, Herr Lorth. Ist das nicht seltsam?«
»Der ganze Roman hat doch irgendwie mit dem Verbrechen zu tun, oder nicht?«
»Ja, aber diese Namensschildchen sind ausschließlich an Stellen angebracht, an denen der Täter in dem Roman etwas tut, das auch der reale Täter getan haben muss. Oder die Täter. Es könnte doch sein, dass Jahn auf diese Art einen Plan gemacht hat. Eine Art Aufstellung darüber, wer welche Aufgaben übernimmt.« Erdmanns Stimme war nun deutlich lauter geworden.
Lorth fuhr hoch. »Was? Sie beschuldigen mich ernsthaft, bei diesem Wahnsinn mitzumachen? Das kann nicht ihr Ernst sein.«
»Ach, und warum nicht, Herr Lorth? Sie profitieren von dieser ganzen Sache ebenso wie Jahn, mehr noch, für Sie ist es die langersehnte Chance, dass jeder erfährt, wer große Teile der Jahn-Romane wirklich geschrieben hat, oder etwa nicht? Alle Zeitungen stehen voll davon, und es wird sicher nicht lange dauern, bis Sie die ersten Angebote erhalten.«
»Nein, so ist das nicht, ich –«
Erdmann schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, und Lorth zuckte zusammen. »Wir konnten Jahn zu einer der entführten Frauen folgen, aber wir wissen
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