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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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eingesperrt, und mindestens eine davon war schwer verletzt. Sie mussten furchtbare Angst haben, denn sie wussten, sie würden bald tot sein, wenn sie nicht gefunden wurden. Verdurstet, verblutet oder von einem Irren ermordet … Jede Stunde, die verging, brachte sie dem sicheren Tod näher. Wenn sie überhaupt noch lebten. Und die Einzigen, auf die sie hoffen konnten, die ihnen helfen wollten, saßen in einem Auto, ließen die farbenfrohen Lichter der Großstadt an sich vorüberziehen und diskutierten über irgendwelchen Blödsinn.
    »Wir müssen sie finden«, sagte Erdmann gegen die Scheibe.
    »Ja«, antwortete Matthiessen einsilbig.
    Er wandte ihr das Gesicht zu. »Tut mir leid.«
    »Schon gut, wir sind beide müde.«
    Erdmann setzte sich wieder aufrecht hin, er fühlte sich nicht mehr so erschlagen wie noch kurz zuvor, es war, als hätten seine Gedanken neue Energie in ihm freigesetzt. »Wir werden diesen Lorth jetzt richtig in die Mangel nehmen. Außerdem müssen wir alles noch mal durchgehen, was wir haben, Andrea. Auch dieses Buch, Wort für Wort. Wir haben keine Zeit mehr, erfolglos herumzustochern. Wir
müssen
was finden.«
    »Ja, etwas in der Art ging mir auch gerade durch den Kopf. Aber ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie unsere Chancen, sie zu finden, tatsächlich stehen. Zumal, wenn Jahn nicht bald zu sich kommt und Lorth weiter alles abstreitet.«

33
    Sie kamen um kurz vor halb sechs im Präsidium an. Draußen war es noch immer dunkel. Erdmann steuerte den Aufenthaltsraum an, dort gab es einen Kaffeeautomaten. Matthiessen traf er anschließend im Einsatzraum wieder, wo sie mit Stohrmann und einem weiteren Kollegen zusammenstand. In der Hand hielt sie ein Blatt, auf dem handschriftlich etwas notiert war. Erdmann erfuhr, dass Lorth gerade angekommen war. Er hatte noch von seiner Wohnung aus mit Peter Lüdtke telefoniert, der für ihn einen Anwalt besorgen wollte.
    »Machen Sie ihm Druck, aber passen Sie bloß auf, was Sie sagen«, hörte er, wie Matthiessen von Stohrmann instruiert wurde.
Was denn sonst
, dachte er und spürte eine gewisse Erleichterung, dass Stohrmann sich damit begnügte, das Verhör von einem Nebenraum aus zu verfolgen. Erdmann dachte darüber nach, ob es Kalkül von Stohrmann war, dass er Matthiessen und ihn das Verhör führen ließ. Hoffte er darauf, dass Matthiessen in dieser angespannten Situation einen Fehler machte, indem sie Lorth vielleicht drohte? War er noch immer auf der Suche nach etwas, das er ihr anhängen konnte? Erdmann verscheuchte diesen unerfreulichen Gedanken und versuchte sich ganz auf das bevorstehende Verhör zu konzentrieren.
    Kurz darauf betrat er gemeinsam mit Matthiessen den Verhörraum, und der Beamte, der bis dahin neben der Tür gestanden hatte, ließ sie mit Lorth allein. Erdmann beobachtete ihn genau, während er sich ihm schräg gegenübersetzte, er suchte nach Anzeichen von Nervosität. Oft genug veränderte sich das Verhalten von Leuten, sobald sie in der nüchternen, ungewohnten Umgebung des Verhörraums saßen und ihnen zum ersten Mal wirklich bewusst wurde, dass das alles kein Spiel war und sie sich womöglich in ernsthaften Schwierigkeiten befanden. Lorth hingegen war zumindest äußerlich ruhig. Er trug eine noch recht neu aussehende Jeans und ein rotes, kariertes Hemd, das über der Brust so weit geöffnet war, dass das Unterhemd zu sehen war. Es schien das gleiche zu sein, das er auch zum Schlafen getragen hatte. Vor ihm auf dem Tisch lagen eine Schachtel Zigaretten und ein rotes Wegwerffeuerzeug. Erdmann deutete darauf. »Die können Sie wegpacken. Hier drin wird nicht gequalmt.«
    Matthiessen setzte sich neben Lorth und legte den Zettel vor sich auf den kleinen Tisch, in dessen Mitte ein Mikrophon aufgebaut war. Erdmann wusste mittlerweile, dass Stohrmann auf diesem Blatt die Tage und Zeiten notiert hatte, an denen Helga Jäger den Lektor hinter Jahns Garten gesehen haben wollte.
    »So, Herr Lorth, dann gehen wir jetzt mal die Tage durch, an denen Sie mit Herrn Jahn hinter seinem Haus gesehen worden sind.«
    »Ich werde nichts mehr sagen, bis mein Anwalt da ist. Ich weiß, dass das mein Recht ist.«
    Matthiessen warf Erdmann einen Blick zu, der wohl sagen sollte:
Ich hab’s befürchtet.
Er dachte an Stohrmann und an die Aufnahme, die mitlief, vertraute aber darauf, dass Matthiessen sich gut überlegte, was sie sagte, und hielt sich zurück. Sie wandte sich Lorth wieder zu. »Es stimmt, das ist ihr Recht, aber wie Sie wissen,

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