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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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»Danke. Bis morgen.« Sie wandte sich ab.
    »Also zumindest, was das
Überhaupt
betrifft«, fügte er grinsend hinzu und ging zu seinem Auto.
    Eine halbe Stunde später schloss er die Tür seiner modernen 3 -Zimmer-Wohnung im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses in Eimsbüttel auf und warf den Schlüsselbund in die Glasschale, die auf der kleinen Vitrine im Flur stand. Er hängte sein Sakko auf einen Bügel an die Garderobe und ging in die Küche, wo er sich die Mappe mit seiner Kopie der Köln-Unterlagen vorne in den Hosenbund steckte und sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ein Glas aus dem Hängeschrank über der Spüle nahm. Es hatte nach seiner Auffassung etwas mit Stil zu tun, Getränke nicht direkt aus der Flasche, sondern aus Gläsern zu trinken. So bewaffnet, machte er es sich auf der Ledercouch im Wohnzimmer bequem. Er legte die Unterlagen auf dem niedrigen Tisch ab, öffnete die Flasche und goss das Glas voll. Nach einem großen, köstlichen Schluck sah er zum Fernseher hinüber. Er spürte große Lust, das Gerät einzuschalten und sich einfach berieseln zu lassen, etwas, das er eigentlich hasste. Seine Gedanken wanderten zu Julia, und wie so oft in den letzten Monaten fiel ihm auf, dass er immer an sie dachte, wenn es um Dinge ging, über die sie sich häufig gestritten hatten. Der Fernseher, der praktisch immer lief, wenn sie zu Hause gewesen war. Ihr ausgeprägter Hang, Dinge zu kaufen, die sie nie brauchte und auch nie benutzte, Dinge, die sofort nach dem Kauf auf Nimmerwiedersehen in irgendwelchen Schubladen oder Schränken verschwanden. Kaufen, um des Kaufens willen.
    Er nahm noch einen Schluck. Wo immer er mit Julia aufgetaucht war, hatte er die neidvollen, musternden Blicke der anderen Frauen ebenso beobachtet wie das Schmachten in den Augen ihrer Männer. Julia war sieben Jahre jünger als er. Als sie sich kennengelernt hatten, war sie gerade zweiundzwanzig, und er war mächtig stolz gewesen, dass diese Frau, die alle mit ihrer Schönheit und ihrem strahlenden Lächeln verzaubert hatte, sich ausgerechnet in ihn verliebte. Er war damals gerade frisch zur Kripo gekommen, und als er dann auch noch mit dieser umwerfenden Frau zusammenkam, erschien ihm sein Leben wie ein in Erfüllung gegangener Traum. Die ersten Monate mit ihr waren ihm wie ein Rausch vorgekommen, und nach einem halben Jahr gab er seine kleine 2 -Zimmer-Wohnung auf und zog mit ihr in ein 100  Quadratmeter großes Appartement in Eimsbüttel, nur zwei Straßen von seiner jetzigen Wohnung entfernt. Ihr erstes gemeinsames Jahr dort war bestimmt von
sich aneinander abschleifen
, wie Julia es immer genannt hatte, womit endlose Diskussionen gemeint waren. Meist waren es Dinge gewesen, die er an ihr kritisiert hatte, was aber daran lag, dass Julia zufrieden war, solange sie ihre Vorstellung eines gelungenen Tagesablaufs verwirklichen konnte. Die beinhaltete in der Regel einen Einkaufsbummel mit Freundinnen und den anschließenden, ausgiebigen Besuch eines In-Cafés an der Binnenalster, einen mindestens zweistündigen Aufenthalt im Fitnessstudio und nach Möglichkeit das abendliche Essen in einem guten Restaurant. Natürlich hätte sein Polizistengehalt dafür schon nach zwei Wochen nicht mehr ausgereicht, aber Julia Priegel war die Tochter des Besitzers und Chefarztes der Priegel-Privatklinik für kosmetische Chirurgie, und Professor Doktor Gerhard Priegel ließ es sich nicht nehmen, seinem einzigen Töchterchen jeden Wunsch zu erfüllen. Das tat er vordergründig mit einer bestimmten Summe, die er in regelmäßigen Abständen auf ihr Konto überwies und deren Höhe Erdmann nie hatte in Erfahrung bringen können.
    So war aus dem Glückstaumel der ersten Monate mit der Zeit ein Nebeneinanderleben geworden, bei dem sich nach und nach jeder sein eignes soziales Umfeld aufbaute, mit dem der jeweils andere kaum etwas zu tun hatte. Einzig bei den wenigen gemeinsamen Unternehmungen oder Einladungen hatte sich nichts geändert. Die Frauen musterten Julia neidisch, die Männer schmachteten sie an.
    Mit der Zeit wurde Erdmann immer bewusster, dass das nicht das Leben war, das er mit Julia führen wollte. Es war eine Art Leben, wie er es mit keiner Frau führen wollte. Er hatte es mit Gesprächen versucht, immer und immer wieder, aber er kam nicht an sie heran, letztendlich warf sie ihm sogar vor, er gönne ihr nicht, dass sie sich dank ihres Vaters ein schönes Leben leisten konnte. Im vergangenen Jahr dann, es war zehn Monate her, sah er sie

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