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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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Dunkelheit seine Hand, die den feinen Pinsel führte, in ein samtenes Tuch. Es dämpfte den Druck, mit dem die Farbe aufgetragen wurde. Einzigartige Gemälde entstanden so. Wahre Kunstwerke.
    Er war ein vielbeachteter Maler. Es gab kaum eine Zeitung, die nicht über seine Kunst berichtete.
    Nach langen Jahren, in denen er mit seinen herkömmlichen Bildern vergeblich um Beachtung gebettelt hatte, in denen er nur belächelt worden war und verhöhnt, war die Welt endlich auf ihn aufmerksam geworden.
    »Nachtmaler« nannten sie ihn. Ein Name, so einzigartig wie seine Kunst.
    Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er am Ende einer Sackgasse den Holzkoffer mit seinen Utensilien abstellte.
    Es war das Lächeln eines Wissenden, der im Begriff war, mit einer Geste der Großzügigkeit ein kleines Stück seiner Genialität zu offenbaren.
    Prüfend sah er sich um, betrachtete das nur schemenhaft erkennbare, unbewohnte Gebäude hinter sich. Ein guter Platz.
    Er arbeitete nie zweimal an der gleichen Stelle. Das würde seinen Werken die Einzigartigkeit nehmen.
    Vorsichtig öffnete er den Deckel, nahm ein Tuch heraus und legte es auf die Straße. Mit größter Sorgfalt richtete er die Farbtuben am oberen Rand des Stoffes nebeneinander aus. Die Pinsel in verschiedenen Stärken legte er darunter.
    Dann wartete er. Es konnte lange dauern.
    Manchmal wartete er vergebens und ging im Morgengrauen unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Aber so war es mit der Kunst. Sie ließ sich nicht erzwingen.
    In dieser Nacht hatte er Erfolg.
    Als ein gleichmäßiges
Klack, Klack, Klack
die Stille durchbrach, verließ er den Platz, der für diese Nacht sein Atelier sein sollte. Er folgte dem Geräusch, ließ sich von ihm leiten. Dann sah er ihre Gestalt vor sich, ein dunkler Scherenschnitt, der sich kaum von der Umgebung abhob, und sein Herz machte einen Sprung.
    Das war sie. Der Maler hatte sein Objekt gefunden.
    Als er hinter ihr stand, den Arm zum Schlag erhoben, stockte sie, doch es war zu spät. Das knirschende Geräusch, mit dem ihre Schädeldecke unter der kurzen Eisenstange zertrümmert wurde, erzeugte einen heißen Strom in seinen Lenden. Als er auf ihr kniete, die Hände um ihren schlanken Hals gelegt, als er mit aller Kraft zudrückte, konnte er nicht anders, er musste laut aufstöhnen, vor Anstrengung und auch aus diesem unglaublichen Gefühl heraus, dem Bewusstsein seiner Macht. Mit dem letzten Zucken, mit dem sie mit weit hervorgetretenen Augen das Leben aus ihrem Körper presste, ergoss sich ein warmer Strahl aus seinem Unterleib.
    Er lag keuchend auf ihr. Erst Minuten später konnte er sich von ihr herunterwälzen, konnte er sie aus ihren Kleidern, sein Medium aus der Verpackung schälen. Dann war er bereit für ein neues Meisterwerk.
     
    Erdmann legte das Blatt angewidert beiseite. Er sah Christoph Jahn vor sich, den Mann Anfang 50 , der aussah wie Sean Connery und sich solche Abscheulichkeiten ausgedacht hatte.
    An einer anderen Stelle des Berichts fand er eine genaue Beschreibung darüber, mit welcher Akribie der Täter die Szene des Romans nachgestellt hatte. Selbst die Beine der Toten hatten genau so gelegen, wie es in Jahns Buch beschrieben war.
    Außerdem hatte er der Frau büschelweise Haare abgeschnitten.
    Die Kölner Beamten fanden den Hinweis darauf ebenfalls im Buch. Jahns wahnsinniger Killer fertigte aus den Haaren Pinsel in verschiedenen Stärken, mit denen er dann sein nächstes Opfer bemalen wollte.
    Erdmann fragte sich, wie weit der reale Täter in seinem Nachahmungswahn wirklich gegangen war. Ob wirklich irgendwo bei ihm zu Hause ein Sortiment Pinsel lag, die er selbst hergestellt hatte. Aus den Haaren seines Opfers in Köln. Und ob sich auch ein
warmer Strahl aus seinem Unterleib
ergossen hatte in dem Moment, in dem die junge Frau in Köln gestorben war.
    Angeekelt warf er die Mappe auf den Tisch, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Je mehr er darüber nachdachte, umso sicherer wurde er, dass es sich im aktuellen Fall um den gleichen Täter handelte. Die Frage war, welche Motivation hinter den Taten steckte. Handelte es sich einfach um einen Wahnsinnigen, der sich zufällig die Romane von Christoph Jahn als Vorlage für seine abscheulichen Verbrechen ausgesucht hatte? Oder war es dieser
größte Fan
des Autors, der Briefeschreiber, der vier Jahre zuvor angekündigt hatte, etwas zu tun, dass Jahns Roman auf die Bestsellerliste bringen würde, wo er seiner Meinung nach hingehörte? Warum sollte er

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