Das Skript
ausgerechnet nun, nach vier Jahren, wieder ein Verbrechen nach einem Jahn-Roman nachstellen? Erdmann öffnete die Augen, griff sich erneut die Mappe und ging sie weiter durch.
Er musste nicht lange suchen, bis er auf Kopien der Briefe stieß, die Jahn vor der Tat erhalten hatte. Es waren zwölf Blätter, chronologisch geordnet, inhaltlich waren sie größtenteils identisch:
Lieber Christoph,
ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihre Bücher über alles liebe. Sie sollen wissen: Nicht alle Ihre Leser sind so dumm wie die, die nicht erkennen wollen, von welcher Qualität Ihre Bücher sind.
Ihr größter Fan
Lieber Christoph,
bitte schreiben Sie weiter so. Ihre Bücher sind einzigartig. Ich hasse alle, die zu dumm sind, das zu erkennen.
Ihr größter Fan
So ging es weiter bis zum letzten Brief, der, wie Jahn auch schon erwähnt hatte, nur aus einem Satz bestand:
Lieber Christoph,
ich werde nun dafür sorgen, dass Ihre Bücher endlich dorthin kommen, wo sie hingehören.
Ihr größter Fan
Erdmann legte das letzte Blatt zur Seite und dachte darüber nach, ob jemand wirklich zum Mörder werden konnte, nur um den Verkauf eines Buches anzukurbeln. Aber er wusste aus Erfahrung, dass Menschen aus allen denkbaren und nicht denkbaren Gründen töteten.
Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder den Unterlagen und suchte den Teil, in dem etwas über den Mann stehen musste, der als Einziger einen Vorteil aus diesen Scheußlichkeiten zog.
11
24 . April
Als ihn der durchdringende Piepton des Radioweckers aus einem unruhigen Schlaf riss, fühlte Erdmann sich matt und unausgeschlafen. Widerwillig hievte er sich aus dem Bett. Doch als er eine halbe Stunde später ins Freie trat und den strahlend blauen Himmel sah, blieb er stehen und atmete die klare, frische Frühlingsluft tief ein. Danach fühlte er sich schon um einiges besser.
Um drei Minuten vor acht klingelte er an Matthiessens Haustür. Er hätte darauf gewettet, dass sie ihm mit angezogener Jacke öffnete, um sofort losfahren zu können. Umso überraschter war er, als sie auf Strümpfen in der Tür stand. »Guten Morgen.« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Schwarze Jeans, weißes Hemd, graues Sakko, lässig elegant, wie immer.« Sie machte einen Schritt zur Seite. »Komm rein, ich hab noch eine Tasse Kaffee für dich.«
»Das hört sich gut an, ich bin sehr spät aufgestanden und hatte noch keinen.« Er wartete in der Diele, bis sie die Tür geschlossen hatte und an ihm vorbeigegangen war, dann folgte er ihr durch das entgegen seiner Erwartung sehr modern eingerichtete Wohnzimmer in die Küche. Das Zentrum des verhältnismäßig großen Raumes bildete eine Kochinsel, an deren Arbeitsplatte drei Barhocker standen, so dass der Bereich neben dem Induktionskochfeld gleichzeitig als Tisch genutzt werden konnte. Matthiessen deutete auf einen der Plätze, wo eine unbenutzte Kaffeetasse stand. Erdmann setzte sich und sah sich in dem hellen Raum um. »Schön hast du’s hier.«
»Das hört sich so an, als würde dich das überraschen.«
»Nein, warum sollte mich das überraschen?«, log er und sah Matthiessen dabei zu, wie sie seine Tasse unter den Vollautomaten stellte und den Knopf drückte. Er wartete, bis das Mahlwerk mit seiner lauten Arbeit fertig war. »Ich bin die Unterlagen aus Köln durchgegangen, und irgendwann war es zwei. Und ich hab trotzdem noch den Bericht geschrieben und weggemailt. Ein Lob bitte.«
»Nicht schlecht. Mir sind um kurz nach zwölf schon die Augen zugefallen. Aber ich war auch ganz froh, als ich nicht mehr lesen konnte. Ich bin ja bestimmt nicht zimperlich, aber die Art, wie Jahn diese Szenen beschreibt, in denen den Frauen die Haut vom Körper geschnitten wird … Ich weiß nicht, mir kam es so vor, als berausche er sich beim Schreiben selbst an der Vorstellung. Gott, wenn der Täter sich genau nach diesen detaillierten Vorgaben richtet …«
»Bisher deutet ja alles darauf hin, dass er es tut.«
»Ja, schrecklich. Wir müssen diesen Irren so schnell wie möglich stoppen, bevor er noch weitere Frauen und schließlich auch Heike Kleenkamp umbringt!«
Sie schwiegen kurz, dann wollte Matthiessen wissen: »Und wie war es bei dir? Hast du was entdeckt, das uns nützlich sein könnte? Vielleicht etwas zu Christoph Jahn?«
Erdmann trank vorsichtig einen kleinen Schluck, dann erzählte er Matthiessen, was er in den Unterlagen gefunden hatte.
Natürlich hatten die Kölner Kollegen den Autor überprüft. Immerhin hatte ihm die Tat
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