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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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ausdrücken, ja. Und das, obwohl sie in einem weitaus lesbareren Zustand gedruckt wurden, als er sie bei uns abgeliefert hat.«
    Matthiessen wechselte mit Erdmann einen verständnislosen Blick. »Aber warum wurden sie dann verlegt?«
    Lorth zog an seiner Zigarette und winkte ab. »Altlasten.« Der bläuliche Qualm drang ihm beim Reden aus dem Mund. Als beide ihn fragend ansahen, verdrehte er die Augen. »Muss ich das jetzt auch noch erzählen? Also gut. Aber erst hätte ich jetzt mal gerne meine Frage beantwortet: Wird der Kölner Fall wieder aufgenommen?«
    »Vielleicht«, sagte Erdmann, sonst nichts.
    »Ähm … und?«
    »Was und?«
    »Na, warum sind Sie hier? Was wollen Sie von mir?« Er drückte die Kippe in den überquellenden Aschenbecher.
    »Dass Sie unsere Fragen beantworten. Also: Warum werden Jahns Bücher bei Ihnen verlegt, wenn Sie als sein Lektor der Meinung sind, sie sind nicht gut? Und was meinen Sie mit Altlasten?«
    Lorth holte theatralisch Luft. »Der ehemalige Programmchef hat Jahn eingekauft. Sein erstes Buch war ganz okay, nichts Besonderes, aber lesbar. Tja, der liebe Herr Dr. Wulf war davon so begeistert, dass er gleich einen Vertrag für drei weitere Bücher mit dem großen Schriftsteller abgeschlossen hat. Und wir mussten das anschließend ausbaden.«
    »Und dieser Programmchef ist nicht mehr bei Ihnen?«
    Zynisches Lachen. »Nein, er hatte sich vorher schon einige Fehleinkäufe erlaubt.«
    »Hm«, machte Matthiessen. »Wie ist das in einem solchen Fall? Gibt es für einen Verlag keine Möglichkeit, da rauszukommen?«
    Lorth schüttelte den Kopf, als könne er nicht fassen, dass ihm diese Frage wirklich gestellt worden war. »Bei einem solchen Vertrag wird dem Autor ein Garantiehonorar zugesprochen. Und bei Jahn war das ein ziemlich hohes Honorar, und das ist nicht zurückzahlbar. Da kann man anschließend nicht einfach sagen, man macht das Buch nicht. Man muss zumindest versuchen, einen Teil des Geldes wieder hereinzubekommen.«
    »Kann man denn mit einem schlechten Buch, das man ja auch erst mal drucken lassen muss, Geld verdienen?«, fragte Erdmann und erntete wieder ein Kopfschütteln, begleitet von einem dermaßen überheblichen Grinsen, dass er kaum noch an sich halten konnte. »Dafür gibt es ja den Lektor. Ich habe Jahns Manuskripte … nun … so weit
überarbeitet
, dass daraus zumindest lesbare Krimis wurden. Und ich kann Ihnen versichern, das war ein hartes Stück Arbeit.«
    »Aha«, machte Erdmann. »Da wir ja mittlerweile festgestellt haben, dass wir ahnungslose Kriminalpolizisten sind, erlauben Sie mir doch die dumme Frage: Ist es nicht der Job eines
jeden
Lektors, ein Manuskript auf logische Fehler abzuklopfen, Ungereimtheiten zu finden, ungünstige Satzkonstellationen zu verbessern?«
    »Pah! Verbessern?« Lorth richtete sich auf. »Wäre ich Lektor von Liebesromanen – Gott bewahre –, würde ich Ihnen jetzt sagen, dass ein Lektor die Aufgabe hat, die Schönheit eines Wortes zu erkennen, es herzunehmen und so in einen Satz einzubetten, dass es seine ganze, die Sinne verzaubernde Pracht entfalten kann.« Er machte eine kurze Pause und rollte mit den Augen. »Blödsinn! Ich bin Lektor von Kriminalromanen, und meine Aufgabe ist es, Wörter so zu Sätzen zusammenzustellen, dass Waffen aus ihnen werden. Tödliche Waffen, verstehen Sie?« Er atmete hastig, wie nach einem Sprint. »Das Vokabular eines Kriminallektors ist wie ein prall gefüllter Waffenschrank. Ich drücke dem Leser eine dieser Waffen mit brutalstmöglicher Sprachgewalt auf der ersten Seite an den Hals, ich nehme ihn in stilistische Geiselhaft und zwinge ihn, mir zu folgen in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Worte können nicht nur verletzen, sie können töten, wenn man sie so virtuos beherrscht, wie ein Lektor sie beherrschen muss.« Lorth machte eine kurze Pause, und Erdmann dachte darüber nach, ob er sich wohl gleich vor Aufregung übergeben würde. »Ja, es stimmt, ich musste große Teile dieser … Geschichten komplett umschreiben, weil sie so grandios schlecht waren, dass man das unmöglich hätte veröffentlichen können. Genaugenommen bin ich der eigentliche Autor dieser Romane, Herr … wie auch immer.«
    »Erdmann. Sagen Sie, haben Sie im vergangenen Dezember die Rezension in der HAT über
Das Skript
gelesen? Dessen Autor Sie ja dann zum Teil auch sind?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ja, eine unbedeutende, unbekannte kleine Volontärin wahrscheinlich.«
    »Und? Es muss Sie als

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