Das Skript
Tageszeitung.«
»Natürlich habe ich davon gelesen. Aber müssten Sie nicht sagen: Mutmaßliche Entführung? In einem Manuskript würde ich das sofort rot anstreichen.«
»Nein, das müssen wir nicht, weil gestern ein Päckchen aufgetaucht ist, mit einem Rahmen darin, auf dem ein Hautstück aufgespannt war. Ein menschliches Hautstück, das einwandfrei von Heike Kleenkamp stammt. Jemand hat handschriftlich den Titel eines Romans auf dieses Hautstück geschrieben. Der Titel lautet –«
»Der Leser«, sagte Lorth, und es klang geradezu begeistert, so begeistert, dass Erdmann darauf wartete, dass der Kerl gleich in die Hände klatschte vor Vergnügen. »Das ist ja … Deshalb sind sie also hier. Er hat es wieder getan.«
»Wer?« Erdmann feuerte seine Frage regelrecht auf Lorth ab.
»Na, der Täter. Es ist doch sicher derselbe Täter wie in Köln, oder? Oder anders: Sie können wahrscheinlich nicht ausschließen, dass es derselbe Täter ist, nicht wahr?«
»Sie scheinen nicht sehr überrascht zu sein.«
»Überrascht? Ja, doch, klar. Aber bitte … wissen Sie, was das für
Das Skript
bedeutet?«
»Ja, dass es wahrscheinlich wieder von einer sensationsgeilen Menge wie verrückt gekauft wird.«
Lorth zwinkerte ihm zu. »Ganz genau. Wir können die Druckmaschinen anwerfen, denn wenn das morgen in der Zeitung steht, werden wir nicht mehr nachkommen.«
»Es wird aber morgen davon noch nichts in der Zeitung stehen. Zumindest nicht, was die Verbindung zu dem Roman angeht.«
»Ach, wie schade.« Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er griff nach der Zigarettenpackung, zog den letzten Glimmstängel heraus und zerdrückte die Packung in der Faust.
»Sagen Sie mal, Sie haben gerade gehört, dass jemand die grausamen Verbrechen eines Romans in die Realität umsetzt, und sind nur enttäuscht, dass Ihr Verlag nicht schon morgen Profit damit machen kann? Verstehen Sie überhaupt, dass das nicht mehr nur das Manuskript eines Autors ist, sondern Wirklichkeit?«
Lorth sah Erdmann erst verständnislos an, dann winkte er ab. »Ach, jetzt kommen Sie mir doch bitte nicht mit
der
Masche. Es würde niemandem nützen, wenn ich nun in Tränen ausbreche und der Verlag aus Mitgefühl keine Bücher mehr an den Handel ausliefert. Ich kann dieser Heike Kleenkamp in keiner Weise durch Rumgeheule helfen. Helfen können nur Sie, wenn Sie Ihre Hausaufgaben gut machen und den Irren finden, der das veranstaltet. Oder es ihm beweisen können. Und wir verkaufen derweil Bücher, weil wir damit niemandem schaden.« Mit einem klackenden Geräusch des Feuerzeugs setzte er die Zigarette in Brand.
»Okay, dann sage ich Ihnen jetzt mal was.« Erdmann, dem die Qualmerei gehörig auf die Nerven ging, war langsam in der Stimmung, alle Dienstvorschriften dieser Welt zu verletzen. »Wenn Sie irgendeine Zeitung über das informieren, was wir Ihnen gesagt haben, werden Sie mich nicht mehr los. Ich werde Ihnen so lange am Hintern kleben, bis ich was gegen Sie in der Hand habe, und dann mache ich Ihnen den brutalstmöglichen Ärger. Und darin bin ich richtig gut. Haben wir uns verstanden?«
»Sie drohen mir, Herr Kriminalpolizist?«
»Ja, ganz massiv, und Sie werden es nie beweisen können, dass ich das getan habe, denn im Zweifelsfall stehen die Aussagen von zwei Kriminalbeamten gegen die eines Zivilisten.«
Er erhob sich und sah Matthiessen an, die ihm einen strafenden Blick zuwarf und sich an Lorth wandte. Der hatte seine Heiterkeit verloren und blickte Matthiessen deutlich verunsichert an. »Bitte entschuldigen Sie«, sagte sie und warf Erdmann einen erneuten, bitterbösen Blick zu. »Das ist natürlich Blödsinn, was mein Kollege da gerade gesagt hat. Ich bin seine Vorgesetzte und würde es nie zulassen, dass er die Dienstvorschriften so eklatant verletzt.«
Die Frau Hauptkommissarin hat wieder zu sich selbst gefunden
, dachte Erdmann. Wie hatte er auch nur einen Moment glauben können … »Wenn morgen etwas darüber in den Zeitungen steht, werde
ich
es sein, die Ihnen am Hintern klebt.«
Mit Schwung stand sie auf und ging Richtung Flur. Erdmann war für einen Moment ziemlich verdattert, dann erhob er sich ebenfalls. Ein Blick zu Lorth verriet ihm, dass der sich langsam wieder fing. Das aufgesetzte Lächeln legte sich wie eine Maske erneut auf seine Züge. »Ah, verstehe, das Prinzip
Guter Bulle – Böser Bulle
in einer abgewandelten Form:
Böser Bulle – Noch böserer Bulle.
«
Doch Matthiessen und Erdmann waren bereits zur
Weitere Kostenlose Bücher