Das Skript
sah dabei abwechselnd Matthiessen und Erdmann an.
»Ja, und ich wäre dankbar, wenn wir langsam auch mal Ergebnisse vorweisen könnten. Nicht wahr, Frau Matthiessen?«
Erdmann spürte, wie ihn schon wieder die Wut packte. Er versuchte, ruhig zu bleiben, aber es fiel ihm schwer, und wenn Dieter Kleenkamp in diesem Moment nicht neben ihnen gestanden hätte … »Wir gehen dann mal«, sagte Matthiessen zu Stohrmann, und an Kleenkamp gewandt: »Es tut mir sehr leid, dass wir Ihre Tochter noch nicht gefunden haben. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, das verspreche ich Ihnen.«
»Das weiß ich, danke.«
»Ach, und – ich habe noch eine Bitte:« Matthiessen ignorierte Stohrmann, der ihr schräg hinter Kleenkamp Handzeichen gab. »Wir befürchten, dass heute eine weitere junge Frau entführt worden ist. Es ist die Studentin, die … die dieses Päckchen bekommen hat, mit dem Rahmen. Wir geben die Daten an Ihre Redaktion durch. Wäre es möglich, morgen früh an einer prominenten Stelle in der HAT ein Foto von ihr zu veröffentlichen?«
»Selbstverständlich. Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
»Danke.« Bevor Stohrmann noch einen Kommentar abgeben konnte, wandte Erdmann sich ab und verließ, dicht gefolgt von Matthiessen, den Raum. Sie sprachen kein Wort, bis die Fahrstuhltür sich hinter ihnen geschlossen hatte, dann platzte es aus Erdmann heraus: »Dieser Schwachkopf. Bruder hin oder her, ich habe das Getue von dem Kerl dermaßen satt, dass ich nicht einen Tag länger zusehe. Morgen werde ich eine offizielle Beschwerde gegen Stohrmann einreichen. Es reicht.«
»Nein, das tust du bitte nicht.«
Er sah sie fassungslos an. »Mensch, Andrea, das kann doch nicht dein Ernst sein. Der Kerl quält dich nicht nur und versucht dich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als unqualifizierten Angsthasen hinzustellen, er stört durch sein Verhalten ganz massiv die Ermittlungen.«
»Wir sollten uns jetzt ausschließlich darauf konzentrieren, Heike Kleenkamp und die anderen Frauen, die vielleicht noch entführt wurden, zu finden. Wenn du nun etwas gegen ihn vorbringst, wird das die Ermittlungen nicht beschleunigen, sondern eher noch mehr behindern.«
»Ja, die Ermittlungen, die er ja angeblich dadurch vorantreiben wollte, dass er dafür gesorgt hat, dass du nicht die Leitung der BAO bekommst.«
Durch Matthiessens Körper ging ein Ruck. »Was?«
Im ersten Moment ärgerte sich Erdmann, dass ihm das herausgerutscht war. Doch als er gerade ansetzen wollte, ihr zu erklären, woher er das wusste, glitten die Türen des Fahrstuhls mit einem samtenen Geräusch auseinander. Er hatte nicht bemerkt, dass die Kabine angehalten hatte. Gemeinsam gingen sie über den Gang und durch die Schleuse, an der Glaskabine mit den Sicherheitsleuten vorbei. Matthiessen lief stumm neben ihm her und fragte nicht nach. Sie durchquerten die Eingangshalle, und erst als sie das Präsidium verlassen hatten, sagte Erdmann: »Das hat Stohrmann mir gesagt. Ich wollte es dir sowieso erzählen.«
»Wann? Wann wolltest du es mir erzählen?«
Erdmann blieb stehen und sah Matthiessen nach, die noch drei, vier Schritte machte und dann ebenfalls anhielt. »Nach Möglichkeit noch heute. Er hat mir gedroht, für den Fall, dass ich etwas von dem weitererzähle, was er mir gesagt hat, würde er … Na ja, du kennst das ja. Aber es ist mir egal. Ich werde dir alles erzählen. Weil du meine Partnerin bist. Und weil mir immer mehr Zweifel an dem Kerl kommen.«
»Gut. Kommst du mit zu mir? Auf ein Glas Wein?«
Er grinste. »Gerne. Aber ich werde nicht mit dir schlafen.«
»Idiot«, antwortete sie, und er befürchtete, sie meinte es in diesem Moment ernst.
Erdmann hatte sich gerade auf Matthiessens beigefarbener Ledercouch niedergelassen, als er in der Ecke neben einer Vitrine mit heller Lackoberfläche den Schaukelstuhl entdeckte. Er stand auf und sah ihn sich aus der Nähe an. Der Stuhl war aus dunklem, massivem Holz, Erdmann tippte auf Nussbaum, und er war hervorragend in Schuss. Die Armlehnen wurden von in sich verdrehten, wie natürlich gewachsene Äste geformten Hölzern gehalten. »England, ungefähr 1880 , ich habe ihn von meinem Vater geerbt.« Matthiessen stand hinter ihm und hatte zwei bis zur Hälfte mit Weißwein gefüllte Gläser in der Hand. Sie waren bis zur Füllhöhe des Weines von außen beschlagen. Erdmann strich mit den Fingern über die Armlehne. »Ein wunderschönes Stück.«
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