Das Skript
hätte die Stelle keine Sekunde aus den Augen gelassen, bei ihm sei der Kerl definitiv nicht vorbeigekommen.«
»Hm … Der Einsatzleiter … Du wirst mir aber jetzt hoffentlich nicht sagen, dass –«
»Doch. Der Einsatzleiter war Hauptkommissar Georg Stohrmann.«
»Ich hab’s geahnt.«
»Ja, so ein Zufall, nicht wahr? Und ihm hat der Kerl dann später während eines Verhörs auch angeblich gesagt, ich hätte ihm tatenlos dabei zugesehen, wie er geflüchtet ist. Das war
zufälligerweise
in einem Moment, in dem Stohrmann allein mit ihm war.«
»Wie? Stohrmann war allein mit ihm beim Verhör? Niemand sonst war dabei, und niemand hat mitgehört? Wie ist denn so was –«
»Der Kollege war nur einen Moment raus. Als er zurückkam, erzählte Stohrmann ihm, was der Kerl angeblich ausgesagt hatte, was der – o Wunder – sofort heftig abstritt. Aber Stohrmann bestand darauf, und so wurde es in das Verhörprotokoll aufgenommen. Natürlich steht da auch drin, dass der Verdächtige bestritt, das je gesagt zu haben, aber das hat Herr Stohrmann offensichtlich vergessen, dir gegenüber zu erwähnen.«
»Mein Gott. Der ist ja regelrecht hinter dir her.« Erdmann nahm einen Schluck Wein, und Matthiessen sah ihm mit ernster Miene dabei zu. »Lass uns das Thema wechseln, bitte, ja?«
Er stellte das Glas ab und nickte. »Also gut, anderes Thema.«
Er blieb noch bis halb neun, und sie redeten in dieser Zeit über Nina Hartmann, Jahn und auch über dessen Lektor, über den Erdmann sich wieder dermaßen ereiferte, dass Matthiessen sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.
Nachdem sie verabredet hatten, dass Erdmann sie am nächsten Morgen um acht abholen würde, begleitete sie ihn nach draußen. Als sie sich verabschiedet hatten und er sich zum Gehen wandte, sagte sie: »Stephan?« Erdmann drehte sich wieder zu ihr um. »Du hast eben gesagt, Stohrmann sei regelrecht hinter mir her.«
»Ja, es macht ganz den Eindruck.«
»Es ist mehr als das. Er hasst mich seit damals abgrundtief, und er ist besessen von seinem Vorhaben, mich aus dem Polizeidienst werfen zu lassen. Ich glaube, er würde so ziemlich alles dafür tun.«
21
Erdmann hatte sich vorgenommen, sich noch einmal die Kopien der Unterlagen durchzulesen, die er zu Hause liegen hatte. Doch als er auf seinem Sofa saß, spürte er, wie ausgelaugt er war. Er überlegte, dass es vielleicht sinnvoll war, eine halbe Stunde abzuschalten, dann würde es ihm sicher wieder bessergehen. Also machte er den Fernseher an, stellte die Lautstärke so weit herunter, dass er noch gerade eben alles verstand, legte sich hin und ließ sich berieseln. Es lief eine deutsche Krimiserie mit einem Kommissar, der sich so klischeehaft benahm, dass Erdmann sich aufgeregt hätte, wäre er nicht so unglaublich müde gewesen. Er war wirklich sehr müde …
Als er hochschreckte, brauchte er einige Sekunden, um sich zu orientieren. Sein Telefon klingelte und vibrierte gleichzeitig in seiner Hosentasche, und während er sich auf der Couch ausstreckte, um es herausfingern zu können, warf er einen Blick auf den Receiver unter dem Fernseher, der die Uhrzeit anzeigte. Es war 23 Uhr 52 .
Er wusste schon, dass es Matthiessen war, als das Telefon noch in seiner Tasche steckte. Gleich zu Anfang ihrer Zusammenarbeit hatte er ihrer Rufnummer einen eigenen Klingelton zugeordnet. »Hallo, was ist los?«, meldete er sich und erschrak über seine Stimme, die wie ein Reibeisen klang.
»Hallo. Gerade hat mich OK Dörsfeld angerufen. Das ist einer der beiden Kollegen, die Jahn observieren. Jahn ist eben nach Hause gekommen.«
Erdmann versuchte den Sinn dessen zu begreifen, was Matthiessen ihm gerade gesagt hatte, aber er schaffte es nicht. »Ehm, ja, gut, aber … entschuldige, ich verstehe nicht ganz. Warum –«
»Er war weg, ohne dass sie es gemerkt haben, und jetzt ist er zurückgekommen.«
Erdmann richtete sich mit einem Ruck auf. »Was? Die haben nicht gesehen, dass er gegangen ist? Das kann doch wohl nicht wahr sein! Was sind das denn für Pfeifen?«
»Dörsfeld schwört Stein und Bein, dass sie das Haus keine Sekunde aus den Augen gelassen haben. Er sagt, Jahn ist auf keinen Fall zur Haustür raus.«
»Klar, was soll er sonst auch sagen.«
»Ich denke, er ist durch den Garten verschwunden. Das erklärt, warum die beiden ihn nicht gesehen haben.«
Erdmann dachte darüber nach. »Aber wenn er durch den Garten weg ist, dann rechnet er doch wohl damit, dass er observiert wird. Warum kommt
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