Das Skript
Das war im Januar, glaube ich. Da war sie eine Woche weg, bei ihren Eltern. Und ihre Nachbarin und Dirk waren irgendwie auch nicht da oder hatten keine Zeit. Jedenfalls hat Nini mich gefragt, ob ich ihre Pflanzen gießen könnte in der Woche, und mir dafür den Schlüssel gegeben.«
»Die Pflanzen gießen?«, sagte Erdmann, woraufhin der Kopf des Studenten zu ihm herumflog. »Ja.«
Erdmann wandte sich einem der beiden Beamten zu. »Rufen Sie doch bitte bei Dirk Schäfer an und sagen Sie ihm, sein Kumpel Christian sitzt hier bei uns, weil er eben mit dem Schlüssel in Nina Hartmanns Wohnung eingedrungen ist, den sie ihm zum Pflanzengießen gegeben hat. Mal sehen, was der dazu sagt.«
»Muss das unbedingt sein? Dirk ist dann bestimmt sauer. Kann sein, dass er gar nichts von dem Schlüssel weiß. Ich möchte nicht, dass Nini Ärger bekommt deswegen.«
Erdmann nickte dem Beamten zu, und der verließ den Raum. »So, Sie möchten nicht, dass sie Ärger bekommt?«, fuhr er daraufhin Zender so harsch an, dass der zusammenzuckte. »Wie selbstlos von Ihnen. Ich glaube nicht, dass diese Art Ärger im Moment Frau Hartmanns Hauptproblem ist. Aber ich kann Ihnen versichern, dass
Sie
eine ganze Menge Ärger bekommen, wenn Sie mir nicht sagen, was Sie in der Wohnung wollten, Herr Zender. Sie wollten sehen, ob Sie was finden? Wie haben Sie sich dieses
Finden
denn gedacht? Sie gehen in Frau Hartmanns Wohnung, werfen einen Blick auf den Boden, und – hoppla, da liegt ja was, das uns weiterhilft, oder wie?«
»Nein, ich wollte –«
»Etwa in ihren Sachen wühlen? Ohne, dass Ihnen das irgendwer erlaubt hat? Ich sage Ihnen jetzt mal was, Sie angehender Jurist, das ist Einbruch. Damit haben Sie schon mal eine Menge Probleme am Hals, aber da ist noch was anderes, und das könnte weitaus schlimmer für Sie werden: Mir kommt langsam der Gedanke, Sie könnten vielleicht etwas mit dem Verschwinden von Frau Hartmann zu tun haben.«
»Was? Sind Sie … Ich meine, das ist doch absurd.«
Erdmann warf Matthiessen einen schnellen Blick zu, und sie nickte kaum merklich. »Absurd?«, blaffte er Zender an. »Ich denke da an Ihren lockeren Spruch, als Sie von der Entführung von Heike Kleenkamp erfuhren.
Wenn ich jemanden entführen wollte, würde ich mir auch die kleine Kleenkamp aussuchen. Reich und ziemlich lecker.
Das deutet nicht gerade darauf hin, dass eine Entführung für Sie nicht in Frage käme. Und dann Ihr Benehmen während unserer Gespräche. Nini hier und Nini da.«
»Aber ich …«
»Kann es sein, dass Sie heimlich in Frau Hartmann verliebt sind? Dass die Sie aber ignoriert, weil sie auf Beachboy-Ärzte steht und nicht auf Rechtsanwälte? Und dass Sie jetzt eine Gelegenheit gesehen haben, sich einfach zu nehmen, was Sie nicht freiwillig bekommen können, und die Tat diesem Irren in die Schuhe zu schieben?«
»Aber das ist doch vollkommener Blödsinn.«
»Was haben Sie in der Wohnung gesucht, Herr Zender?«
Christian Zender senkte den Kopf und sah auf seine Hände, die er auf dem Schoß liegen hatte. Er machte einen gelassenen Eindruck. »Das habe ich Ihnen doch gerade schon gesagt. Ich konnte nicht mehr schlafen, weil ich mir so viel Gedanken um Nini gemacht habe, und da fiel mir ein, dass ich ja noch den Schlüssel von ihr habe.« Er sah wieder auf, und Erdmann konnte in seinem Gesicht erkennen, dass ihm wieder etwas Schlaues eingefallen war. »Nini hat mir den Schlüssel freiwillig gegeben, also ist es auch kein Einbruch, wenn ich mit diesem Schlüssel ihre Wohnung betrete.«
»Das war zweckgebunden, wie Sie selbst sagten. Um während ihrer Abwesenheit ihre Pflanzen zu versorgen. Nur zu diesem Zweck hatten Sie den Schlüssel.«
Zender grinste. »Na ja, sie ist ja jetzt nicht da. Dann wollte ich eben ihre Blumen gießen.«
Erdmann schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, was Zender zusammenzucken ließ. »Sie finden sich selbst wohl wahnsinnig originell und witzig, was? Und wahrscheinlich kommen Sie sich auch noch besonders schlau vor, wenn Sie hier sitzen und Ihre Späßchen reißen, während Sie Frau Hartmann wahrscheinlich irgendwo eingesperrt haben. Aber wir werden Sie hier festhalten, Herr Zender, wegen des dringenden Verdachts der Entführung und Freiheitsberaubung.«
»Das können Sie nicht«, Zender lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah Erdmann dabei selbstzufrieden an. »Contra legem, Herr Oberkommissar. Sie vergessen, dass Sie keinen ahnungslosen Teenager vor sich sitzen haben, der beim
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