Das Skript
Wohnungsschlüssel drei Stück nachmachen lassen und an drei verschiedenen Stellen deponiert, weil ich ihn immer wieder verliere oder vergesse. Ich wollte nicht, dass Nini nach einer Woche zurückkommt und ihre Pflanzen sind vertrocknet, weil ich am ersten Tag den Schlüssel verlegt und nicht mehr gefunden habe. Verstehen Sie? Ich hätte mich vor ihr geschämt. Ich hab diesen Schlüssel in eine Schublade in meiner Wohnung gelegt, für alle Fälle. Als Nini dann zurück war, habe ich nicht mehr daran gedacht. Ich hatte ihn ganz vergessen, bis … na ja, bis jetzt.«
Erdmann begann zu verstehen, und das machte ihn noch wütender, als er sowieso schon war. »Ach, und jetzt haben Sie sich an Ihren
Ersatzschlüssel
erinnert und wollten diesen ehrlichen und offenen Brief schnell verschwinden lassen, nicht wahr? Denn wenn Nina Hartmann wirklich entführt worden ist, müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Brief bei einer Wohnungsdurchsuchung gefunden wird und Dirk Schäfer erfährt, dass sein bester Freund sich hinter seinem Rücken an seine Freundin heranmacht. Und dass er das noch nicht einmal selbst tut, in einem Gespräch, weil er dazu nicht die Eier in der Hose hat, sondern mit einem Briefchen wie ein Vierzehnjähriger. Das ist doch richtig, oder etwa nicht?« Bei den letzten Worten schielte er zu Matthiessen hinüber. Er rechnete mit einem vorwurfsvollen Blick, aber die saß nur mit verbissenem Gesicht da und verzog keine Miene. Es wäre ihm in diesem Moment auch egal gewesen.
»Ja, schon. Wenn Dirk davon erfahren würde, … na ja, ich denke, er würde mir das wahrscheinlich übelnehmen.«
Matthiessen stand auf und ging einige Male in dem kleinen Büro auf und ab, ehe sie unmittelbar vor Zender stehen blieb. »Dass Sie sich den Wohnungsschlüssel einer jungen Frau heimlich nachmachen lassen, ist eine Ungeheuerlichkeit, aber alleine betrachtet noch nicht strafbar. Strafbar haben Sie sich gemacht, als Sie den Schlüssel benutzten, und dafür werden wir Sie auch belangen. Aber wissen Sie, was ich an dieser ganzen Geschichte am ekelhaftesten finde, Herr Zender?«
Erstaunt sah Erdmann, wie sich Zenders Mundwinkel schon wieder zu einem Grinsen verzogen. »Ja, ich weiß, der Vertrauensbruch. Sie sind eben eine Frau, die sehen das sowieso alles immer viel enger.«
»Falsch. Wirklich widerlich finde ich, dass Sie in dem Moment, in dem die Frau spurlos verschwunden ist, die Sie angeblich so sehr lieben, nur an sich selbst denken und an die lächerlichen Probleme, die Sie bekommen könnten, wenn Ihr Freund davon erfährt, wie schmutzig Sie ihn hintergangen haben. Ich hätte große Lust, Sie ins Auto zu stecken und mit Ihnen zu dem Fundort einer weiblichen Leiche zu fahren, von dem wir gerade kommen. Es wäre interessant zu erfahren, ob Sie sich beim Anblick dieser jungen Frau, der ein Wahnsinniger den Rücken zerfetzte, als er ihr die Haut vom Fleisch geschnitten hat, immer noch Gedanken darüber machen, ob Ihr Freund vielleicht sauer auf Sie sein könnte. Denn die nächste Frau, die wir so finden, könnte Ihre große Liebe Nina Hartmann sein. Was sind Sie nur für ein widerlicher Wurm.« Sie wartete einige Sekunden, dann fügte sie leise hinzu: »Cum tacent clamant«, und drehte sich zu dem Beamten um, der zuvor Dirk Schäfer angerufen hatte. »Wenn Herr Schäfer hier ankommt, soll er sich einen Moment gedulden. Schreiben Sie eine Strafanzeige wegen versuchten Einbruchs, nehmen Sie die Aussage dieses Helden zu Protokoll und dann bringen Sie ihn zu seinem
Freund
, damit die beiden sich ein wenig austauschen können. Danach sehen Sie zu, dass er hier verschwindet. Und Sie«, damit sah sie Zender streng an, »halten sich zu unserer Verfügung, verstanden?«
Auf dem Flur musste Erdmann sich anstrengen, um mit Matthiessen Schritt halten zu können. »Widerlicher Wurm?«
»Ach, ist doch wahr. Der Kerl regt mich wirklich auf.«
»Und was heißt bitte
Cum ta … cla-dings
? Mein Latein ist eher rudimentär.«
»Das heißt: Indem sie schweigen, stimmen sie zu.«
»Ah. Und, hast du gehört, dass er was gesagt hat?«
»Nein.«
Erdmann nickte. »Widerlicher Wurm.«
»Ich rufe jetzt Stohrmann an und informiere ihn über unsere Unterhaltung mit diesem Kerl, dann machen wir einen Abstecher zu Frau Hansen und anschließend zu Jahn. Wir werden ihm noch mal auf den Zahn fühlen.«
»Was ist mit diesem Lektor, Lorth? Der kann uns im Grunde ja auch viel erzählen. Was hältst du davon, wenn wir ihn mal im Verlag besuchen und bei der
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