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Das Skript

Das Skript

Titel: Das Skript Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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Freunde hatte er nach eigener Aussage nicht, was Erdmann nicht weiter wunderte. Auf Matthiessens verwunderte Nachfrage, ob denn an keinem der Abende seine Freundin bei ihm gewesen war, gab er zu, diese Freundin erfunden zu haben.
    Als sie ihn vor dem Haus absetzten, in dem seine Wohnung lag, hatte Matthiessen alle seine Angaben auf ihrem Zettel notiert. Sie sahen Lorth nach, bis er im Haus verschwunden war.
    »So. Und jetzt zu Jahn.«
    Erdmann hatte das Gefühl, in Matthiessens Stimme schwang Erleichterung mit. »Was war mit dir los eben? Du hast auf mich einen ziemlich angespannten Eindruck gemacht.«
    »Ich traue diesen beiden keinen Meter über den Weg, vor allem diesem Lüdtke. Ich habe das Gefühl, der Kerl lügt, wenn er den Mund aufmacht, und dabei tut er so, als seien alle Mittel recht, wenn es darum geht, Bücher zu verkaufen. Erinnerst du dich an unser erstes Gespräch mit Lorth gestern, als du ihn nach der Rezension in der HAT gefragt hast?«
    »Ja, natürlich, er sagte, die wäre ihm egal gewesen.«
    »Ja, und er sagte auch, alle im Verlag hätten darüber gelacht. Da erscheint ein Verriss in einer der größten Hamburger Tageszeitungen, die im ganzen Verlag rumgeht, und Lüdtke weiß angeblich nichts davon?«
    »Tja, es kann natürlich auch sein, dass Lorth mal wieder Mist erzählt hat.«
    »Ja, natürlich. Eigentlich müssten wir die beiden ebenfalls observieren, aber ich kann mir in etwa vorstellen, was Stohrmann sagt, wenn ich ihn darauf anspreche.«
    »Ich auch. Er wird dich wahrscheinlich fragen, wie viele Verdächtige du sonst noch hast, die observiert werden müssen. Und dann wird er dich fragen, ob du weißt, was eine Observierung kostet.«
    »Ja, das wird er wohl sagen. Aber ich werde ihn trotzdem darauf ansprechen.«
    »Hm … Miriam Hansen hat Lorth also gestern Abend noch angerufen. Warum hat sie uns nichts davon gesagt? Weißt du, wann sie bei Jahn zu Hause war?«
    »Dörsfeld sagte, es muss so gegen zehn gewesen sein.«
    »Dann hat sie Lorth erst angerufen, nachdem sie dort war.«
    »Sie wollte Jahn fragen, was es mit dieser Überarbeitung seiner Romane auf sich hatte, das hat sie ja selbst gesagt. Als der dann nicht zu Hause war, hat sie eben Lorth angerufen.«
    Erdmann nickte. »Und erhielt von ihm dann die endgültige Bestätigung dessen, was ich ihr am Telefon schon gesagt hatte: dass ihr Idol die Romane, wie sie sie kennt, größtenteils gar nicht selbst geschrieben hat.«
    Erdmanns iPhone summte zweimal kurz, das Zeichen, dass er eine Nachricht erhalten hatte. Er öffnete das Nachrichtenmenü. Es war eine MMS , und sie kam von Jens Diederich:
Hi, Stephan, anbei ein Foto des Paketinhalts von heute. Gruß Jens.
    »Jens hat mir ein Foto vom Inhalt des Päckchens geschickt, das sie bei der Morgenpost abgeholt haben.«
    Der Text auf dem Display war winzig klein, aber mit der Bildbetrachtungsfunktion seines Telefons konnte Erdmann ihn auf eine lesbare Größe bringen. Es handelte sich dieses Mal gleich um zwei mit Haut bespannte Rahmen, wobei auf dem ersten lediglich eine große
Eins
als Kapitelnummer zu sehen war. Erdmann dachte an Heike Kleenkamp. Die zweite Seite war eng mit den schon bekannten, akribischen Druckbuchstaben beschrieben. Erdmann hielt das Handy so in die Mitte zwischen ihren Sitzen, dass auch Matthiessen den Text sehen konnte. Das Lesen auf dem kleinen Display gestaltete sich schwierig, zumal sie beide schräg auf das Telefon sahen. Immer wieder musste er den Text mit dem Zeigefinger ein Stück weiterschieben.
    1
    Der Raum war zum schwärzesten Schwarz abgedunkelt, das Licht durch zugeklappte Läden und dicke, vor den Fenstern hängende Wolldecken hermetisch ausgesperrt. Wagners Drama »Tristan und Isolde« beherrschte mit lautester Lautstärke das Zimmer, beugte sich brüllend aus der Finsternis heraus von allen Seiten zu dem Schreibtisch in der Mitte hin:
    Mild und leise wie er lächelt,
    wie das Auge hold er öffnet –
    seht ihr’s, Freunde? Seht ihr’s nicht?
    Immer lichter wie er leuchtet,
    sternumstrahlet hoch sich hebt?
    Seht ihr’s nicht?
    Nur eine kleine, zierliche Lampe drängte wie ein Engel des Lichts die Dunkelheit im Umkreis von zwei Metern um den klobigen Schreibtisch zurück, den zarten Schwanenhals dabei so gedreht, dass das Zentrum ihrer Helligkeit auf die Tastatur der elektrischen Schreibmaschine fiel, auf der Johannes Kuhnert feierlich die letzten Worte des finalen Satzes eintippte.
    Für den allerletzten Buchstaben holte er weit aus, ließ den

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