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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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sicher?«
    »Sicher.«
    »Warum schaust du mir dann nicht in die Augen?«
    Giovanni schaute sie an, dann drehte er sich wieder zu den Blitzen um, die die Nacht erleuchteten.
    »Ich hab an die Arbeit gedacht, Rita.«
    »Wir finden was, mach dir keine Sorgen.«
    »Calasetta kennt alle im Baugewerbe. Wenn der sich querstellt …«
    »Dann lass ihn sich querstellen. Du arbeitest gut. Und nicht alle hängen bei Calasetta an der Brust.«
    »Hoffentlich hast du recht, Rita.«
    Rita stand auf.
    »Möchtest du einen Nocino?«
    Er nickte.
    Sie schenkte ihm ein halbes Glas Likör ein. Dann ließ sie Wasser ins Waschbecken, räumte ab, legte Teller und Besteck ins Wasser, zog die Handschuhe über und begann zu spülen.
    »Wenn du dich hinlegen willst«, sagte sie, während sie die Küche aufräumte, »warte ich auf Caterina.«
    »Ich bin nicht müde«, sagte Giovanni.
     
    Als sie mit dem Abwasch fertig war, zog Rita die Handschuhe aus und trocknete ab. Dann setzte sie sich ihrem Mann gegenüber, der immer noch neben dem Fenster saß. Sie streichelte seine Hand und trank auch einen Schluck Nocino. Ihr Mann schaute sie
einen Moment lang an, dann trank er seinen Likör aus.
    Erst in diesem Moment, bei seinem Blick, kam Rita ein Zweifel, der sie vorher nie gestreift hätte.
    Wegen diesem Zweifel, der nicht von dieser Welt war, schämte sie sich und versuchte mit aller Kraft, ihn zu verjagen.
    Aber später, nachdem Caterina nach Hause gekommen war, sie ins Bett gegangen waren und das Licht ausgemacht hatten, war der Zweifel plötzlich wieder heftig da.
    Er wog zu schwer, um ihn für sich zu behalten.
    »Giuvà …«
    »Was ist?«
    »Ich hab nachgedacht …«
    »Worüber?«
    »Dass ich vielleicht einen Fehler gemacht hab …«
    »Einen Fehler?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Was für einen Fehler?«
    Im Dunkel des Zimmers dachte sie, dass es vielleicht besser wäre zu schweigen.
    »Was für einen Fehler?«, fragte ihr Mann noch einmal.
    »Mit Calasetta.«
    »Der Kaffee?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Mè, was willst du sagen, Rita?«, fragte ihr Mann gereizt.
    Rita holte zwei-, dreimal Luft, bevor sie sprach. Dann fasste sie sich ein Herz und antwortete.
    »Ich meine, vielleicht hätte ich ja sagen sollen.«
    Sie erwartete eine Ohrfeige, einen Schrei, irgendeine Reaktion.
    Aber nichts geschah.
    Ihr Mann sagte nichts.
    Ganz in der Nähe donnerte es. Und einen Augenblick lang tauchte ein Blitz das Zimmer in Licht.

Rita
    Neun Monate zuvor, nachts
    Um drei Uhr war Rita immer noch nicht eingeschlafen. Sie war so durcheinander, dass es ihr einfach nicht gelang, Ordnung zu schaffen. Und je mehr sie versuchte, ihre Gedanken zu entwirren, umso mehr schwirrten sie durcheinander.
    Sie musste allein sein, um nachdenken zu können.
    Sie stand vom Bett auf und versuchte, ihren Mann nicht zu wecken. Aber Giovanni schnarchte, das Gesicht ins Kissen vergraben, und schien tief und fest zu schlafen.
    Rita ging ins Bad, setzte sich auf die Toilette und dachte nach.
    Ein wenig fühlte sie sich wie eine Romanheldin, eine von denen, über die sie ab und zu las. Jetzt war für die Heldin der Moment gekommen, sich für den Mann zu opfern, den sie liebte und dem sie drei Kinder geschenkt hatte. Ihre erste Reaktion, als Mino Calasetta den Vorschlag machte, mit ihm ins Bett zu gehen, war gewesen, ja zu sagen, damit Giovanni nicht entlassen würde.
    Aber wenn ihr Mann das irgendwann herausgefunden hätte? Hätte er jemals geglaubt, dass sie das aus Liebe zu ihm getan hatte?
    »Haben Sie verstanden, was ich Sie gefragt habe, Signora Avagliani?«, wiederholte Mino Calasetta, nachdem sie eine Minute lang nicht geantwortet hatte.
    Rita war die Schamesröte ins Gesicht gestiegen.
    Deshalb hatte sie ihm ins Gesicht gespuckt.
    Danach war sie aus dem Café gegangen in dem festen Vorsatz, ihrem Mann alles zu erzählen, so wie sie es immer getan hatte.
    Aber das Seltsame war gewesen, dass Giovanni, anstatt wütend, traurig oder eifersüchtig zu werden, gar nichts gesagt hatte. Im Gegenteil, es schien beinahe so, als ob er sie mit seinem Schweigen in die Arme seines Arbeitgebers drängen wollte. Wie eine Nutte.
    Sicher aus Angst, die Arbeit zu verlieren.
    Für die Kinder.
    Aber wenn ihr Mann so dachte, ohne einen Hauch von Eifersucht, hieß das nicht, dass er sie nicht mehr begehrte?
    Sie stand von der Toilette auf, stellte sich vor den Spiegel und zog sich aus.
    Ein paar Kilo zu viel hatte sie, sie musste sich nicht ausziehen, um das festzustellen. Aber ihr Busen

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