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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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unwillentlich genoss?
     
    Mino Calasetta wartete auf sie in einem Hotel in der nächstgrößeren Stadt. Es war ein grauer Nachmittag, die Leute liefen schnell durch die Straßen auf
der Suche nach Weihnachtsgeschenken. Das Hotel war sehr vornehm, und vom Fenster des Zimmers im obersten Stock sah man ein farbloses Meer. Mino Calasetta verschlang sie mit Blicken und sagte ihr ohne große Umstände, sie solle sich ausziehen. Sie bat ihn, die Vorhänge vorzuziehen und das Licht auszumachen. Er protestierte, gab aber schließlich nach.
    Dann taten sie das, was getan werden musste.
    Ohne den Ekel und die Scham, vor der sie sich gefürchtet hatte. Aber auch nicht mit dem Vergnügen, vor dem sie Angst gehabt und das sie vielleicht doch erhofft hatte. Es ging schnell, weil er erregt war, sich keine Zeit nahm und es nicht so auskostete, wie sie erwartet hatte.
    So behielt Giovanni seine Arbeit, wie es die Vereinbarung vorsah. Und Calasetta erzählte niemandem, was in dem Zimmer passiert war, denn vielleicht hatte er dabei mehr zu verlieren als zu gewinnen.
    Zwischen Rita und ihrem Mann aber veränderte sich etwas.
    Augenscheinlich war nichts anders: die gemeinsamen Mahlzeiten, die Gespräche, die Sonntage mit Freunden, das Bett.
    Aber obwohl sich nichts verändert hatte, schien plötzlich alles anders.
    Neun Monate lang hatte sie gedacht, dass es an dem schnellen Sex mit Mino Calasetta gelegen hatte.
    Drei Tage zuvor, als sie vom Einkaufen nach Hause
gekommen war, hatte sie ihren Mann telefonieren hören. Sein Ton war ihr seltsam vorgekommen, und weil sie gedacht hatte, er hätte vielleicht eine Geliebte, hatte sie das Telefon in der Küche abgehoben.
    »Deine Tochter hat was mit dem Enkel vom Schuster.«
    »Davon weiß ich nichts, Dottò, ich glaube nicht.«
    »Sag bloß, du weißt nicht, dass sie sich jeden Sonntag in Roccelle am Meer treffen?«
    Das war die Stimme von einem, den sie kannte.
    »Es ist besser, wenn sie sich nicht mehr sehen.«
    »Aber Dottò, wieso interessiert Sie das?«
    »Mich nicht, aber meinen Sohn. Und zwar sehr.«
    »Ich kann sie doch nicht zu Hause einsperren.«
    »Bist du ihr Vater oder nicht?«
    »Dottò, ich tue mein Bestes, aber …«
    »Hör zu, Avagliani, vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Deine Tochter trifft den Enkel vom Schuster nicht mehr, kapiert?«
    Mino Calasetta! Mit ihm sprach ihr Mann!
    »Verstanden, regen Sie sich nicht auf, ich kümmere mich darum.«
    »Und zwar schnell, wenn dir deine Arbeit lieb ist, diesmal rettet dir keiner den Arsch.«
    Rita legte völlig verstört auf.
    Es war, als wäre ein Schleier zerrissen.
    Dass es zwischen ihr und Giovanni anders geworden
war, lag nicht an dem Sex mit Calasetta, sondern daran, dass Giovanni nicht mehr der war, den sie kannte. Der Mann, der ihr den Kopf verdreht hatte, weil er großzügig war und den Blick niemals senkte.
    Dieser Mann war anders geworden.
    Angst hatte er und war feige.
    Um das Wenige zu verteidigen, was er hatte, tat er nicht mehr das, was richtig war, sondern was ihm am nützlichsten erschien.

Inmitten der Blumen
    »Mè, ich hab sie!«, schrie Capa di Ciuccio, als er die beiden in enger Umarmung im Sonnenblumenfeld sah.
    Als Caterina auf ihrem Fahrrad am Ende der Straße aufgetaucht war, wollte Fellone sich gleich auf sie stürzen – sie sollte keine Zeit haben zu verstehen, wie ihr geschah. Dann ließ er seine Wut etwas abkühlen. Vielleicht, dachte er, war es besser, ein wenig zu warten, bevor sie zuschlugen. Es wäre leichter, die beiden zu kriegen, während sie es miteinander trieben.
    Aber dann waren sie verschwunden, sie hatten sie aus den Augen verloren. Jetzt suchten sie schon seit zwanzig Minuten und waren kurz davor aufzugeben, als Capa di Ciuccio Glück hatte.
     
    »Hier bin ich, kommt her«, brüllte Capa di Ciuccio noch einmal und hob den Kopf, damit sie ihn sahen.
    Und Fellone und Cicciariello rannten dorthin, wo der Eselskopf aufgetaucht war.
    Caterina schrie noch einmal.
    »Mè, stopf ihr endlich das Maul!«, befahl Fellone, während er näher kam.
    Capa di Ciuccio griff nach dem Mädchen und hielt ihr den Mund zu. Sofort biss sie ihn. Im selben Mo
ment war Lorenzo aufgestanden und warf sich mit Tritten und Schlägen auf Capa di Ciuccio. Die Bisse des Mädchens kitzelten Capa di Ciuccio nur, weil seine Haut so verhornt war. So hielt er sie mit einer Hand weiter fest und verscheuchte mit der anderen den Jungen wie eine lästige Fliege.
    Lorenzo hörte mit den Schlägen und

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