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Das Sonnentau-Kind

Das Sonnentau-Kind

Titel: Das Sonnentau-Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Luepkes
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Keller. Noch während sich gluckernd die Gläser füllten, rutschte Anivia unruhig auf ihrem Gartenstuhl hin und her, bis sie nicht mehr an sich halten konnte.
    «Ich habe heute auch unheimlich viel herausgefunden!», platzte sie heraus, griff nach dem Weinglas und nahm einen großen Schluck, als hätte sie eine längere Rede vor sich und müsste die Kehle feucht halten und gleichzeitig einen Anflug von Lampenfieber besiegen. Sie grinste. «Vielleicht werde ich auch mal Kommissarin, wenn meine Zeit hier in Deutschland vorbei ist. Ich habe da irgendwie so ein Gespür …»
    «Intuition!», wusste Wencke und prostete ihrem Au-pair-Mädchen zu. Ihr war klar, auf diese Weise begannen immer die Abende, die im benebelten Zustand endeten. Aber sie hatte morgen frei, es wäre nicht schlimm, sollte sie im Eifer des Gefechtes gleich noch eine zweite Flasche öffnen müssen. Nach langer Zeit überkam sie wieder einmal Lust auf eine Zigarette, zum Glück hatte sie keine im Haus, und der nächste Automat war meilenweit weg an der Bundesstraße zu finden. «Erzähl mal!»
    «Heute Morgen habe ich zufällig Annegret Helliger in der Apotheke getroffen.»
    «Kennst du sie denn?»
    «Nein, aber der Apotheker hat gleich ein Gespräch über Aurel angefangen, und da wusste ich Bescheid. Es war merkwürdig, sie sprachen davon, dass Aurel Medikamente für die Kinder besorgt hätte, Antibiotika, es ging um Infektionen und so, doch ich glaube, dass Frau Helliger überhaupt nicht wusste, wovon er sprach.»
    «Oh!», sagte Wencke. Und das sollte alles sein?
    «Dann haben sie noch eine Weile über Frau Helligers Krankheit gesprochen und dass die Operation gut verlaufen ist und so. Ich hatte das Gefühl, die Frau war froh, als sie wieder an der frischen Luft war.» Sie nahm erneut einen Schluck Wein. «Und weil Emil und ich gerade so schön mit dem Fahrrad unterwegs waren, habe ich noch den Typen von gestern Abend besucht. Diesen Naturschützer.»
    «Warum denn das? Hast du Interesse an ihm?»
    «Rein beruflich, er ist ein wichtiger Zeuge, Frau Kollegin.» Sie setzte den letzten Satz hörbar in Gänsefüßchen. «Er ist nicht nach meinem Geschmack. Ich mag lieber Männer mit Muskeln. Aber ich dachte, er könnte mir vielleicht doch noch etwas über Aurel erzählen.»
    «Und?»
    «Er hat gesagt, dass er und seine Kollegen ihn ziemlich oft im Moor getroffen haben. Immer mit dem Fahrrad, und er hatte meistens einen großen Rucksack dabei.» Anivia schaute stolz, doch Wencke hatte noch immer Schwierigkeiten, dieser Tatsache etwas wirklich Interessantes abzugewinnen.
    «Aha …»
    «Ich glaube, Aurel war nicht zum Spaß mit dem Rad in der Natur. Ich glaube, er hatte dort etwas zu tun. Schließlich war es doch verboten, Jakob hat es ihm sehr oft gesagt, er sollte sogar Strafe bezahlen. Und trotzdem …»
    Jetzt verstand Wencke, es leuchtete ein. «Du meinst, diese Sache, die er für seine Familie zu erledigen hatte, könnte etwas mit dem Moor zu tun haben? Aber was?»
    «Das werde ich morgen herausfinden. Ich bin am Nachmittag mit Jakob verabredet. Dann schauen wir uns in der Gegend ein wenig um. Schließlich hast du morgen frei, dann kann ich doch …»
    «Großartig!», unterbrach Wencke sie. Und beim nächsten Schluck war auf einmal schon das Glas leer. Sie schenkte nach. «Wenn du für deine Polizeikarriere in Serbien noch ein Empfehlungsschreiben brauchst, dann sag mir Bescheid!»
    Sie prosteten sich zu und lachten. Wencke wünschte sich, dass Axel Sanders in seinem Zimmer hörte, wie gut es ihr ging, wie herrlich sie sich amüsierte, trotz seiner Gemeinheiten. Er war ihr egal. Er würde schon sehen. Haha!
    Fast hätte sie das Piepen ihres Handys in der Jackentasche überhört. Umständlich fingerte sie nach dem Gerät, das eigentlich so gut wie nie klingelte in letzter Zeit, besonders nicht nach acht Uhr abends. Auf dem Display erschien die Nummer der Dienststellenzentrale. «Ja?»
    «Wir haben hier einen Anruf aus Rumänien. Für Sie. Es scheint dringend zu sein.»
    Aus Rumänien, dachte Wencke. Na bitte, sicher dieser Sozialarbeiter oder Aurel Pasats kleine Freundin persönlich. Dieser Feierabend hatte es in sich. «Danke, stellen Sie durch.»
    Es rauschte einen kurzen Augenblick, dann knackte es, und endlich meldete sich eine Frauenstimme. «Hallo? Wer spricht da?»
    «Hier ist Wencke Tydmers. Sie wollten mich sprechen?»
    «Ja, ich glaube schon.» Die Stimme klang verwirrt, stockend, zudem hatte sie einen starken osteuropäischen

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