Das soziale Tier
glückliches Leben haben. Ihnen ist aufgefallen, dass ihre Probanden an sonnigen Tagen mit höherer Wahrscheinlichkeit angaben, dass ihr gesamtes Leben glücklich sei, während an Regentagen das nasse Wetter die Einschätzung ihrer Lebenszufriedenheit grundlegend veränderte. 11 (Allerdings verschwindet dieser Effekt, wenn man die Befragten auffordert, bewusst über das Wetter an diesem Tag zu reflektieren.)
In einem raffinierten Experiment forderten Forscher junge Männer auf, über eine wackelige Brücke in British Columbia zu gehen. Dann, während ihnen vom abenteuerlichen Überqueren der angsteinflößenden Brücke noch immer das Herz pochte, näherte sich ihnen eine junge Frau, um einen Fragebogen auszufüllen. Unter dem Vorwand, weitere Fragen stellen zu wollen, gab sie ihnen ihre Telefonnummer. 65 Prozent der Brückenüberquerer riefen sie später an und wollten sich mit ihr verabreden. Dagegen riefen nur 30 Prozent der Männer an, die sie angesprochen hatte, während diese auf einer Bank gesessen hatten. Die Männer, die die wackelige Brücke überquert hatten, waren von diesem Abenteuer so sehr unter Strom gesetzt, dass sie ihre Erregung auf die Frau zurückführten, die sie auf der anderen Seite begrüßt hatte. 12
Dann gibt es da das Problem der direkten Belohnungen. Das Unbewusste ist impulsiv. Es will auf der Stelle Lust empfinden. Infolgedessen sind wir uns vielleicht bewusst, dass wir langfristig abnehmen wollen, aber wir wollen den Donut jetzt essen. Wir wissen um die Vorteile einer objektiven Sicht auf die Dinge; trotzdem hören wir einen Kommentator gern einen Standpunkt darlegen, der sich mit unserer Auffassung deckt. Fans einer Baseballmanschaft sind fest davon überzeugt, dass ihr Spieler den Ball am Schlagmal getroffen hat, während die Fans der gegnerischen Mannschaft zu der ihnen genehmen Schlussfolgerung gelangen, dass der Ball im Aus war. »Wir hören und erfassen nur das, was wir bereits zur Hälfte wissen«, wusste Henry David Thoreau. 13
Dann gibt es das Problem von Stereotypen. Das Unbewusste findet Muster. Es findet sie sogar dort, wo es keine gibt, und nimmt alle möglichen vagen Verallgemeinerungen vor. So glauben die meisten Menschen, dass die Schützen in einem Basketball-Spiel Glücks- und Pechsträhnen haben. Sie erkennen ein Muster. Aber zahlreiche Studien haben keinerlei Anhaltspunkte für Glücks- und Pechsträhnen bei den Spielen der National Basketball Association ergeben. Ein Schütze, der zweimal hintereinander getroffen hat, wird bei seinem dritten Versuch mit jener Wahrscheinlichkeit danebenwerfen, die sich aus seiner bisherigen Gesamttrefferquote ableiten lässt. 14
Menschen sind schnell mit Stereotypen über andere bei der Hand. Versuchspersonen wurden gebeten, das Gewicht eines bestimmten Manns zu schätzen. Wenn man ihnen sagte, es handele sich um einen LKW -Fahrer, schätzten sie sein Gewicht höher ein, als wenn man ihnen sagte, er sei ein Tänzer. 15 Die meisten Menschen hegen unbewusst rassische Vorurteile, ganz gleich, wie wohlmeinend sie sind und welcher Rasse sie selbst angehören. Im Rahmen des Project Implicit haben Psychologen von der University of Virginia, der University of Washington und der Harvard University Hunderttausende von Tests durchgeführt, in denen sie ihren Probanden ganz kurz weiße oder schwarze Gesichter zeigen und sie bitten, frei dazu zu assoziieren. Es zeigte sich, dass 90 Prozent der Befragten unbewusste Vorurteile hegten. 16 In ähnlichen Studien waren die Vorurteile gegen ältere Menschen sogar noch ausgeprägter. 17
Und zu guter Letzt ist das Unbewusste schlecht in Mathematik. Nehmen wir zum Beispiel folgendes Problem: Angenommen, Sie geben zusammen 1,10 Dollar für einen Kugelschreiber und einen Schreibblock aus. Wenn Sie für den Schreibblock einen Dollar mehr ausgegeben haben als für den Kuli, wie viel hat der Kuli dann gekostet? Das Unbewusste sagt Ihnen, der Kuli habe zehn Cent gekostet, weil es in seiner einfältigen, stupiden Art den Geldbetrag in einen Teil von einem Dollar und einen Teil von zehn Cent unterteilen will, auch wenn die richtige Antwort lautet, dass der Kuli fünf Cent gekostet hat.
Aufgrund dieser Neigung des Unbewussten können Menschen Risiken nur schlecht abschätzen. Das Unbewusste entwickelt eine übertriebene Furcht vor seltenen, aber spektakulären Bedrohungen, während es alltägliche Gefahren ausblendet. Menschen haben Flugangst, obwohl wir alle wissen, dass das Autofahren gefährlicher ist. Wir
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