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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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ewiger Jugend im Ruhestand engagierten sie Privattrainer, machten die härtesten Fitnesskurse und verbrachten einen Großteil ihrer Zeit in ihren Villen, die regelrechten Sportleistungszentren glichen. Sie zerbrachen sich den Kopf über Energie-Shakes, vegetarische Küche und Methoden zur Erhaltung der Knochendichte. Man konnte fest damit rechnen, dass sie mit 70 zum Windsurfen gingen, mit 75 an Expeditionen zum K2 teilnahmen und mit 90 Viagrapillen wie Pfefferminzbonbons einwarfen und so wild trainierten, dass ihre Fitnesstrainer fast eine Koronarthrombose bekamen, nur um mit ihnen Schritt zu halten.
    Sie hatten die Zeit und die Mittel und die Konzentration, weil sie in ihre »Pluto-Adoleszenz« eingetreten waren. Wenn extrem ehrgeizige Männer sehr viel Geld verdienen und sich dann in luxuriösen Urlaubsorten zur Ruhe setzen, beginnt für sie ein Lebensabschnitt, in dem sie das Geld, die Zeit und die innere Einstellung haben, um aus all dem kindischen Zeug, das ihnen mit 18 so viel Spaß bereitete, eine Profession zu machen. Sie haben nicht mehr das gleiche Energieniveau wie früher, aber sie erleben durchaus immer wieder kurze libidinöse Kraftschübe, in denen sie sich wie Junghirsche fühlen. Sie hängen mit Berühmtheiten herum, die in der gleichen luxuriösen Freizeitanlage wie sie selbst wohnen – mit George Hamilton, Kevin Costner und Jimmy Buffett. Sie flirten erfolglos mit jungen Kellnerinnen, kehren dann nach Hause zurück zu den Event-Managerinnen, die sie als weibliche Trophäen vor einigen Jahrzehnten heirateten und die sich jetzt in ihren Fünfzigern in moderne amerikanische Zentauren verwandelt haben. Weil Schönheitschirurgen umso versierter sind, je tiefer der Teil des Körpers liegt, dem sie sich widmen, haben diese Frauen zwar Oberschenkel wie Serena Williams, aber Wangen, die wie mit mehrfacher Erdbeschleunigung überdehnt sind, und Lippen, die an dralle Schnecken erinnern.
    Da es gerade angesagt ist, sich für Bildung zu interessieren, haben viele dieser Männer nicht nur drei Villen, sechs Autos und vier Geliebte, sondern sie sponsern auch fünf Charter Schools. Sie verbringen viel Zeit damit, gesellschaftliche Kontakte untereinander zu pflegen. Wenn man so einen Ort für wohlhabende Senioren aufsucht, egal, ob es Bridgehampton, Aspen oder Malibu ist, kann man ganze Horden dieser übermäßig fitten alten Knaben sehen, die sich am frühen Abend auf dem Weg zu einem Tapas-Restaurant auf dem Gehsteig treffen.
    Niemand von ihnen hat wirklich Lust, ins Tapas-Restaurant zu gehen, da es dort zu viele Speisen gibt, mit denen sie nichts anfangen können. Aber sie stehen unter dem Einfluss irgendeiner urtümlichen neuen urbanen Kraft, und als moderne kosmopolitische und kultivierte Menschen sind sie daher zu endlosen Tapas-Martyrien verurteilt. Sie und alle, die ihnen Gesellschaft leisten, sind dazu verdammt, sich 90 Minuten lang mit frittierten Datteln, Tintenfisch mit Aioli, Safranreis mit Oktopus und gegrillten Paprika direkt von den Kanarischen Inseln abzumühen, die ihnen weder schmecken noch bekommen und die sie einfach als eines der Rätsel ihrer Zivilisation über sich ergehen lassen.
    Während die Mitglieder dieser Gruppe langsam zu dem Restaurant schlendern, wo sie die »Tapas des Grauens« erwarten, strahlen sie eine gewisse männliche Leichtfertigkeit aus, und es findet eine seltsame Verwandlung statt. Denn es ist ein Gesetz der menschlichen Natur: Je mehr Männer man in einem glücklichen Haufen bündelt, desto stärker gebärdet ein jeder von ihnen sich wie Donald Trump. Jeder von ihnen besitzt eine Art männliche Photosynthese – also die Fähigkeit, Sonnenlicht in Selbstbewunderung zu verwandeln. Nach dem Gesetz des kumulierten Geltungsbedürfnisses erzeugen sie sich selbst verstärkende Wirbel der Eitelkeit, die die selbstgefälligsten Aspekte ihrer Persönlichkeit hervortreiben.
    Unter anderen Umständen sind diese Männer liebevolle Großväter, die ganz erpicht darauf sind, über ihre an der Stanford University studierenden Enkel zu reden, die gerade einen einjährigen Auslandsaufenthalt in Kambodscha absolvieren. Wenn sie aber in die Psychodynamik einer großbürgerlichen Boy-Gang hineingezogen werden, mutieren sie zu unreifen Spielarten ihrer selbst. Ihre Lautstärke nimmt zu. Ihre Brust schwillt vor Stolz. Ihr Lachen explodiert. Sie werden vorübergehend zu geriatrischen Gangstas und prahlen und schneiden auf in einem Geist zunehmender männlicher Hysterie. Sie bekommen eine

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