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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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loggte sich aus dem Internet aus. Er beschloss, sich zu konzentrieren, sich vom üblichen Datensmog des Cyber-Lebens fernzuhalten und endlich voranzukommen.
    Statt mit der eigenen Niederschrift zu beginnen, las er noch einmal Perikles’ Trauerrede aus dem Peloponnesischen Krieg. Das Gute an der Lektüre klassischer Autoren ist, dass sie einen mit hoher Wahrscheinlichkeit elektrisieren, und von all den Büchern, die Harold gelesen hatte, beflügelte diese Rede seine Fantasie am stärksten. An einer Stelle rühmte Perikles zum Beispiel die Kultur der Athener: »Denn wir lieben das Schöne mit Einfachheit und wir erfreuen uns am geistigen Genuss ohne Weichlichkeit; und wir machen von unserem Reichtum lieber im rechten Augenblick für das Leben Gebrauch, als dass wir in Worten damit prunken; und es ist für keinen eine Schande, seine Armut einzugestehen, vielmehr ist es eine Schande, ihr nicht durch Tätigkeit zu entrinnen.« 31
    Harold war ergriffen und fühlte sich gestärkt – weniger wegen des Inhalts als wegen des erhabenen, heroischen Tonfalls. Der Geist der Rede setzte sich in ihm fest, und seine Stimmung änderte sich. Er begann über Heldentum nachzudenken, über Männer und Frauen, die durch Tapferkeit unsterblichen Ruhm erlangten und ihr Leben für ihr Volk hingaben. Perikles rühmte sittliche Vortrefflichkeit und schilderte mustergültige Vorbilder, denen es nachzueifern gelte.
    Harold begann über die verschiedenen Typen griechischer Helden nachzudenken, von denen er gelesen hatte: Achill, der zornmütige Krieger; Odysseus, der kluge Anführer, der zu seiner Frau und seiner Familie zurückkehren wollte; Leonidas, der in der Schlacht bei den Thermopylen sein Leben ließ; Themistokles, der durch Täuschung und Manipulation Athen rettete; Sokrates, der sein Leben für die Wahrheit opferte; und Perikles, der ehrenhafte Staatsmann.
    Während der nächsten Stunden dachte Harold über die verschiedenen Ausprägungen menschlicher Größe nach. Er wusste intuitiv, dass der Vergleich dieser Erscheinungsformen beziehungsweise das Herausarbeiten ihrer Gemeinsamkeiten der Schlüssel zu seiner Arbeit sein würde. Irgendwie sagte ihm sein Unbewusstes, dass er auf dem richtigen Weg war. Er hatte das Gefühl, dass ihm die Lösung sozusagen auf der Zunge lag.
    Zum ersten Mal, seit er in die Phase der Ausarbeitung eingetreten war, konzentrierte er sich voll und ganz auf die anstehende Aufgabe. Abermals ging er seine Bücher und Tagebucheinträge nach Beispielen für die verschiedenen Heldentypen durch. Er war erfasst von etwas, das Steven Johnson als »langsame Intuition« bezeichnet. Er hatte das vage, schwer zu erklärende Gefühl, die richtige Richtung eingeschlagen zu haben, doch erst nach etlichen Rückschlägen und langem Sich-im-Kreise-Drehen tauchte in seinem Kopf eine Lösung auf.
    Unentwegt stürmt eine Fülle unterschiedlicher Informationen auf uns ein, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen. In diesem Zustand erhöhter Konzentration aber blendete Harold alles aus, was nichts mit der griechischen Idee von Heroismus zu tun hatte. Musik, die ihn hätte stören können, wurde leise gestellt. Geräusche und Farben verschwanden. Wissenschaftler nennen dies die »Vorbereitungsphase«. Wenn sich das Gehirn ernsthaft auf eine Sache konzentriert, erhalten andere Areale wie die Sehrinde und andere sensorische Regionen keinen Input mehr.
    Innerhalb der nächsten ein bis zwei Stunden trieb sich Harold selbst an. Er suchte den passenden Einstieg für einen Aufsatz über Heroismus sowohl im antiken Griechenland als auch in der Gegenwart. Sein Horizont hatte sich verengt, aber er hatte noch immer keine These. Daher ging er seine Bücher und Tagebucheinträge ein weiteres Mal durch, um zu sehen, ob ihm irgendein Punkt oder Argument ins Auge sprang.
    Es war eine anstrengende und frustrierende Arbeit, wie wenn man eine Reihe von Türen aufzustoßen versucht und darauf wartet, dass eine nachgibt. Doch keine der Ideen, die in Harolds Kopf auftauchten, fesselte seine Gedanken. Er begann sich Notizen zu machen. Dabei fiel ihm auf, dass er vor ein paar Stunden schon mal den gleichen Einfall gehabt, ihn aber wieder vergessen hatte. Um die Beschränkungen seines Kurzzeitgedächtnisses wettzumachen, begann er, seine Aufzeichnungen und Tagebucheinträge in Stapeln auf dem Boden anzuordnen. Er hoffte, dass dieser Prozess des Sortierens für eine gewisse Klarheit sorgen würde. Notizen über Tapferkeit legte er auf einen Stoß, Notizen über

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