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Das soziale Tier

Das soziale Tier

Titel: Das soziale Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brooks
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letztlich nicht, wieso Harold tat, was er tat, oder weshalb die griechischen Helden taten, was sie taten.
    Die Griechen der Antike hatten eine andere Motivation. Thymos war der Wunsch nach Anerkennung, der Wunsch, dass das eigene Tun von anderen Menschen wahrgenommen und wertgeschätzt wurde, nicht nur in der Gegenwart, sondern für alle Zeit. Thymos beinhaltete auch das Verlangen nach ewigem Ruhm – den Wunsch, Bewunderung zu wecken und Bewunderung in einer Weise zu verdienen, die über bloße Berühmtheit hinausging. In Harolds Muttersprache gab es keine hundertprozentige Entsprechung für dieses Wort, doch dieses griechische Wort half ihm, sich selbst zu verstehen.
    Sein ganzes Leben lang hatte er in seiner Fantasie Spiele gespielt. Im Spiel war er der Junge, der die US -Baseball-Meisterschaft gewann, den perfekten Pass warf und seine Lieblingslehrer vor tödlichen Gefahren rettete. Und in all seinen Träumereien stellte er sich vor, dass seine Eltern, Freunde und die Welt um ihn herum Zeugen seiner Triumphe wurden. Dieses kindliche Fantasieren war das Produkt des thymos, des Wunsches nach Anerkennung und Zugehörigkeit, der den Wünschen nach Geld und Erfolg zugrunde lag.
    Die thymotische Welt war, anders als die bürgerliche, karrieristische Welt, in der Harold lebte, vom Heroismus geprägt. In der modernen Welt wird allgemein davon ausgegangen, dass alle Menschen auf einer frühesten und niedrigsten Ebene miteinander verbunden sind; alle stammen von gemeinsamen Vorfahren ab und besitzen bestimmte primitive Merkmale. Die alten Griechen dagegen gingen vom Gegenteil aus, nämlich, dass Menschen auf der höchsten Stufe miteinander verbunden sind: Demnach gibt es einen bestimmten idealen Wesenskern, und je näher man dieser überzeitlichen Vortrefflichkeit kommt, umso näher ist man dem, was das Menschsein ausmacht. Thymos ist der Drang, sich zu diesen Höhen emporzuschwingen. Es ist der Traum von der höchsten Vollendung des Einzelnen, wenn das Beste im Innern des Menschen in vollkommener Harmonie mit den ewigen Idealen der Welt zu einer Einheit verschmilzt.
    Harolds Geistesblitz bestand darin, die altgriechischen Wörter für die Triebfedern des menschlichen Handelns – thymos, arete und eros – auf sein eigenes Leben anzuwenden. Er kombinierte also zwei Ideenräume miteinander und machte dadurch die Welt der Griechen für sich selbst verständlicher und seine eigene Welt heroischer.
    Hektisch machte er sich Notizen für seinen Aufsatz; er beschrieb, wie der thymotische Drang, dieser Drang nach Anerkennung, alle möglichen Verhaltensweisen auf der Highschool erklärte. Er stellte Verbindungen her, auf die er noch nie zuvor gekommen war, und verknüpfte alte Informationen auf neue Weise. Manchmal kam es ihm so vor, als schreibe die Arbeit sich gewissermaßen von selbst. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. Zeitweise hatte er fast das Gefühl, nicht zu existieren, so sehr nahm ihn seine Aufgabe in Beschlag.
    Den Aufsatz dann zu überarbeiten, zu feilen und zu schleifen, fiel ihm zwar nicht leicht, aber er schaffte es. Ms. Taylor war von dem Ergebnis überaus angetan. Stellenweise war die Arbeit etwas überhitzt, und Teile waren ein wenig pathetisch, aber Harolds Begeisterung sprang einem aus jeder Zeile entgegen. Die Konzipierung und Ausarbeitung dieses Aufsatzes hatten ihn eigenständiges Denken gelehrt. Die Einsichten, die er dabei gewonnen hatte, ermöglichten ihm, sich selbst und seine Welt neu zu verstehen.
    Griechische Gaben
    Ms. Taylor hatte Harold mit einer Methode angeleitet, die ihn befähigte, die Kapazitäten seines Unbewussten zu nutzen und bewusste und unbewusste Prozesse auf produktive Weise zusammenzuführen: Zuerst eignete er sich Grundkenntnisse an, dann sorgte er auf spielerische Weise dafür, dass sich diese Kenntnisse in ihm »setzten«, und anschließend versuchte er sie gezielt zu ordnen. Er ließ sein Gehirn die Informationen miteinander kombinieren und festigen, woraufhin er das alles so lange wiederholte, bis er plötzlich einen magischen Geistesblitz hatte. Jetzt musste dieser Geistesblitz nur noch zu einem fertigen Produkt ausgearbeitet werden. Der Prozess war nicht leicht, aber jedes noch so kleine Quäntchen Mühe und jeder Moment der Frustration brachte den mentalen Prozess, der für die Ausführung des Konzepts vonnöten war, ein Stück voran. Am Ende sah er die Welt um sich herum auf eine neue Weise. Wie der Mathematiker Henri Poincaré einmal bemerkte, gibt es »eine

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