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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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nach London kommen kann. Es gibt da persönliche Gründe. Dennoch würde ich gern Ihre Bekanntschaft machen, und verstehen Sie, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sie gern hier treffen würde, in den Straßen, die ich kenne und in denen Will und ich aufgewachsen sind? Ihr Angebot, herzukommen, ist sehr großzügig. Vielleicht darf ich Dienstag, den 16. dieses Monats, als mögliches Datum vorschlagen? Oder arbeiten Sie? Ich nehme an, dass es so ist. Alle müssen dieser Tage arbeiten, es sind außergewöhnliche Zeiten.
    Vielleicht schreiben Sie mir noch einmal und lassen es mich wissen?
    Mit freundlichen Grüßen,
    Marian Bancroft
    Ich hoffte, ohne große Umstände in die Pension und wieder hinauszukommen, aber David Cantwell war da und stellte gerade frische Blumen in die Vasen auf den Seitentischchen. Er lief rot an, als er mich sah, und war eindeutig in Verlegenheit gebracht.
    »Meine Mutter ist ausgegangen«, erklärte er. »Deshalb muss ich das machen. Frauenarbeit. Blumen. Als wäre ich eine Schwuchtel.«
    Er lächelte mich komplizenhaft an, doch ich ignorierte seinen schwachen Versuch, einen Witz zu machen, und sagte ihm nur, was ich vorhatte.
    »Ich gehe kurz hinauf ins Zimmer«, sagte ich. »Soll ich meine Tasche hinterher in Ihr Büro bringen, oder kann ich sie oben lassen?«
    »Das Büro ist wahrscheinlich besser, Sir«, antwortete er und kam mir enttäuscht vor, dass ich ihn nicht wie einen alten Freund behandeln wollte. »Wir haben das Zimmer wieder vermietet, und die neuen Gäste sollen um zwei kommen. Wann, denken Sie, werden Sie die Tasche holen?«
    »Nicht sehr viel später«, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, warum ich das dachte. Aber es war möglich, dass meine Verabredung nur zehn Minuten dauern würde. »Ich komme, bevor ich den Zug nehme.«
    »Sehr gut, Sir«, sagte der junge Cantwell und wandte sich wieder seinen Blumen zu. Es war auffällig, dass er längst nicht mehr so mitteilsam wie noch am Tag zuvor war, und wenn mir auch nicht an einem Gespräch lag, so fragte ich mich doch, was wohl der Grund dafür sein mochte. Vielleicht hatte seine Mutter mit ihm gesprochen und ihm erklärt, dass es sich nicht unbedingt zieme, jemanden, der dabei gewesen sei, über die Geschehnisse drüben auszufragen. Sicher, einige Soldaten lebten von ihren Geschichten, und es schien, als hätten sie den Krieg genossen, andere wie ich jedoch taten es nicht.
    Ich ging nach oben, putzte mir die Zähne und wusch mir das Gesicht. Als ich mir die Haare vor dem Spiegel kämmte, dachte ich, dass ich zwar blass, aber doch nicht so schrecklich aussah. Ich fühlte mich bereit für diese Verabredung, auf die Weise, wie es mir eben möglich war.
    Und so saß ich keine zwanzig Minuten später in einem angenehmen Café gleich bei der Cattle Market Street und ließ den Blick über die unerbittlich auf eins zutickende Wanduhr und die übrigen Gäste gleiten. Es war ein traditionelles Café, war mein Eindruck, eines, das möglicherweise schon seit Generationen von derselben Familie betrieben wurde. Hinter der Theke standen ein Mann von vielleicht fünfzig und eine junge Frau in meinem Alter, seine Tochter, nahm ich an, da sie ihm ziemlich ähnlich sah. Zu viele andere Gäste waren nicht da, gerade mal ein halbes Dutzend, was mir vorteilhaft erschien, hatte ich doch das Gefühl, eine Unterhaltung in einem vollen, lauten Raum würde eher schwierig sein, genau wie in einem, der so gut wie leer war und in dem jeder unsere Worte verstehen könnte.
    Liebe Miss Bancroft,
    danke für Ihren Brief und Ihre netten Worte. Sie müssen sich nicht dafür entschuldigen, mit der Antwort gewartet zu haben. Sie hat mich gefreut, das ist alles.
    Der 16. passt mir. Ja, ich arbeite, aber ich habe noch ein paar Urlaubstage, und die werde ich nehmen. Ich freue mich auf unser Treffen. Vielleicht könnten Sie einen Vorschlag machen, wo und wann genau es für Sie am besten einzurichten ist.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Tristan Sadler
    Die Tür öffnete sich, und ich blickte auf, erstaunt, was für einen Schreck mir das Geräusch versetzte. In meinem Magen rumorte es, und plötzlich graute mir vor diesem Treffen. Aber ein Mann war hereingekommen. Er sah sich um, seine Blicke schossen wild hin und her, und schließlich setzte er sich in die gegenüberliegende Ecke hinter eine Säule. Ich hatte den Eindruck, dass er mich argwöhnisch musterte, bevor er hinter der Säule verschwand, und ich hätte mir womöglich Gedanken darüber gemacht, wäre ich nicht derart auf

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