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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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weht durch unsere Reihen. Es ist klar, dass viele der Jungs endlich in ihre ersehnte Uniform kommen wollen, als machte die uns gleich zu Soldaten. Besonders diejenigen, die lange darauf gewartet haben, in die Armee aufgenommen zu werden, haben kein Verlangen danach, auch nur einen Moment länger als nötig die billigen, schmutzigen Sachen zu tragen, in denen sie hergekommen sind.
    »Was für ein Quark«, flüstert Will mir zu. »Die verdammte Armee kann sich einfach nicht genug Uniformen leisten, das ist alles. Das dauert noch Wochen, bis die uns einkleiden.«
    Ich antworte nicht, weil ich fürchte, beim Reden erwischt zu werden, aber ich glaube ihm. Ich verfolge den Krieg seit Anbeginn in der Zeitung, und es gibt ständig Beschwerden, dass es nicht ausreichend Armeekleidung und Gewehre für die Soldaten gibt. Der Nachteil ist, dass wir auf absehbare Zeit nicht aus unseren Zivilklamotten herauskommen, der Vorteil, dass sie uns nicht nach Frankreich schicken können, bevor wir nicht angemessen ausstaffiert sind. Es gibt bereits Tumulte im Parlament, dass sich Männer opfern, ohne überhaupt in einer richtigen Uniform zu stecken.
    Wir beginnen mit einfachen Drill-Übungen: zehn Minuten Dehnen, gefolgt von Auf-der-Stelle-Laufen, bis wir ordentlich schwitzen. Dann, aus heiterem Himmel, beschließt Sergeant Clayton plötzlich, dass unser Trupp aus fünf mal vier Leuten viel zu ungeordnet dasteht, und er stürmt zwischen uns, zieht den einen Mann einen Schritt vor, stößt den anderen etwas zurück, reißt einen ahnungslosen, armen Kerl nach rechts und tritt einen anderen nach links. Als er fertig ist – und ich während seines Hin und Her mehr als genug Stöße und Schubser abbekommen habe –, sehen die Reihen keinen Deut ordentlicher aus als zehn Minuten zuvor, aber Clayton scheint zufrieden, und ich bin gewillt zu glauben, dass meinem ungeübten Blick Dinge entgehen, die für seine erfahrenen Augen geradezu eine Beleidigung sind.
    Während seines Ausbruchs beschwert sich Clayton lauthals über unsere Unfähigkeit, eine Formation einzunehmen, seine Stimme überschlägt sich, und sein Gesichtsausdruck wird so wütend, dass ich ernsthaft denke, der Mann könne Schaden nehmen, wenn er sich nicht vorsieht. Als wir dann aber fertig sind und ins Waschhaus geschickt werden, um uns zu schrubben, wirkt er zu meiner Überraschung wieder so gefasst und unerschütterlich wie bei unserer Ankunft.
    Er gibt nur noch einen Befehl. Wolf, verfügt er, hat uns alle dadurch blamiert, dass er beim Marschieren die Knie nicht hoch genug gezogen hat.
    »Noch eine Stunde für Sie, Wolf, denke ich«, sagt er und wendet den Kopf Moody zu, der mit einem festen »Ja, Sir!« antwortet, bevor Wells uns ins Waschhaus bringt. Unser Kamerad steht jetzt allein mitten auf dem Exerzierplatz, in perfekter Einer-Formation, während wir ihn alle zurücklassen, offenbar unbesorgt um sein Wohlergehen.
    »Der Alte hat Wolf ganz schön auf dem Kieker, was?«, sagt Will, als wir später am Tag auf unseren Pritschen liegen, nachdem man uns eine dreißigminütige Pause gewährt hat. Anschließend haben wir zu einem Abendmarsch über unwegsames Gelände anzutreten. Schon allein der Gedanke daran lässt mich laut aufstöhnen.
    »Damit war zu rechnen«, sage ich.
    »Klar. Aber mit Fairplay hat das trotzdem nicht viel zu tun.«
    Ich sehe Will an und lächle überrascht. Das klingt nach besseren Kreisen, und ich stelle mir vor, wie er aufgewachsen ist, was als Sohn eines Priesters in Norfolk sicher um einiges angenehmer war als bei mir. Seine Sprache klingt nobler, und er sorgt sich um andere. Seine Liebenswürdigkeit beeindruckt mich. Sie nimmt mich für ihn ein.
    »War dein Vater beunruhigt, als du deine Einberufung bekommen hast?«, frage ich ihn.
    »Schrecklich«, antwortet er. »Aber wenn ich mich verweigert hätte, hätte er sich noch schlechter gefühlt. Der König und das Land bedeuten ihm sehr, sehr viel. Wie war es bei dir?«
    Ich zucke mit den Schultern. »Meinem Vater war es eigentlich egal.«
    Will nickt und atmet tief durch die Nase ein. Er setzt sich auf, faltet sein Kissen doppelt und steckt es sich hinter den Rücken. Nachdenklich zündet er sich eine Zigarette an und raucht.
    »Übrigens«, sagt er nach einer Weile, und seine Stimme wird leiser, damit ihn sonst keiner hören kann, »wie fandst du den Arzt heute Morgen?«
    »Wie ich ihn fand?«, sage ich und bin verblüfft, dass er mich das fragt. »Ich habe nicht weiter über ihn nachgedacht.

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