Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
anderen geht, und zwar ausgerechnet mit Wolf, dem Verweigerer, als Weggefährten. Überrascht sehe ich die beiden an, denn sonst geht oder redet nie jemand mit Wolf, auf dessen Bett jede Nacht so viele weiße Federn aus unseren Kopfkissen landen, dass Moody, der Wolf genauso wenig mag wie der Rest von uns, sagt, wir sollen es lassen, sonst werden uns die Kissen weggenommen und wir kriegen alle Nackenschmerzen, weil wir nichts haben, worauf wir den Kopf betten können. Ich sehe mich um und frage mich, ob sonst noch jemandem dieses ungewöhnliche Paar aufgefallen ist, aber die meisten meiner Kameraden sind viel zu sehr damit beschäftigt, einen Fuß vor den anderen zu setzen, halten die Köpfe gesenkt und die Augen halb geschlossen und denken an nichts anderes als die möglichst schnelle Rückkehr in die Kaserne und die damit verbundenen zweifelhaften Freuden des Frühstücks.
Entschlossen, mich nicht ausschließen zu lassen von dem, was sie da besprechen, beschleunige ich meinen Schritt ein wenig, bis ich neben Will gehe, und sehe nervös zu ihm hin, worauf sich Wolf etwas vorbeugt und mir zulächelt. Ich habe den Eindruck, dass er gerade mitten in einer Erklärung war – mit Wolf unterhält man sich nicht, Wolf hält Reden –, aber er sagt nichts, und Will sieht mich an und macht ein Gesicht, das Überraschung signalisiert, aber auch Befriedigung, mich zu sehen.
Natürlich gehört es zu den Dingen, die ich an Will besonders mag, dass er, davon bin ich überzeugt, meine Gesellschaft aufrichtig genießt. Er lacht über meine Witze, die mir freier und spritziger über die Lippen kommen, wenn ich mit ihm und keinem anderen zusammen bin. Er gibt mir das Gefühl, dass ich genauso viel wert bin wie er, genauso clever bin und genauso entspannt, obwohl ich doch weiß, dass es ganz und gar nicht so ist. Und so entsteht das Gefühl, das andauernde Gefühl, dass er etwas für mich empfindet.
»Tristan«, sagt er froh gelaunt, »ich hatte mich schon gefragt, was mit dir ist. Ich dachte, du wärst vielleicht wieder ins Bett gegangen. Arthur und ich sind ins Gespräch gekommen, und er hat mir von seinen Plänen für die Zukunft erzählt.«
»Ach ja?«, frage ich und sehe zu Wolf hinüber. »Und wie sehen die aus? Willst du dich für den Job als Papst bewerben?«
»Moment mal, Tristan«, sagt Will mit einem kritischen Ton in der Stimme. »Du weißt, dass mein Vater Priester ist. Die Kirche ist schon in Ordnung, wenn sie für dich das Richtige ist. Für mich ist sie es nicht, aber trotzdem.«
»Nein, natürlich nicht«, sage ich. Ich hatte kurz den heiligen Reverend Bancroft vergessen, der daheim in Norwich seine Predigten hält. »Ich meine nur, dass Wolf das Gute in allen sieht, mehr nicht.« Das ist eine erbärmliche Antwort, die zeigen soll, dass ich Wolf schätze (was ich nicht tue), nur weil ich annehme, dass Will es tut.
»Nein, Priester werden will ich nicht«, sagt Wolf, dem mein Unbehagen offensichtlich gefällt. »Ich dachte eher an die Politik.«
»Politiker?«, antworte ich und lache. »Da besteht doch keine Chance.«
»Und warum nicht?«, fragt er, sieht mich an, und sein Ausdruck verrät wie immer nichts von seiner inneren Verfassung.
»Hör zu, Wolf«, sage ich. »Ich weiß nicht, ob du mit deinen Überzeugungen richtig- oder falschliegst. Ich will mir nicht anmaßen, da ein Urteil zu fällen.«
»Warum nicht? Meist tust du’s schon. Ich dachte, du stimmst mit den anderen darin überein, dass ich ein Drückeberger bin?«
»Ich meine, selbst wenn du recht hast«, fahre ich fort und gehe auf seine Frage nicht weiter ein, »wird es dir schwerfallen, irgendwen nach dem Krieg davon zu überzeugen. Ich meine, wenn sich in meinem Wahlkreis einer für einen Parlamentssitz bewerben und den Wählern erzählen würde, dass er gegen den Krieg ist und sich zu kämpfen weigert, hätte er Schwierigkeiten, heil von der Rednerplattform herunterzukommen, ganz zu schweigen davon, genug Stimmen für einen Parlamentssitz zu gewinnen.«
»Aber Arthur weigert sich doch gar nicht zu kämpfen«, sagt Will. »Schließlich ist er hier, oder etwa nicht?«
»Ich mache die Ausbildung mit«, sagt Wolf, »aber ich habe dir gesagt, Will, wenn wir losgeschickt werden, weigere ich mich zu kämpfen. Das habe ich immer gesagt, und das wissen sie. Das Problem ist, dass sie nicht zuhören wollen. Das Militärtribunal hätte meinen Fall schon vor Wochen behandeln sollen, aber nichts. Das ist so ein Ärger.«
»Hör zu, wogegen bist du
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