Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
eigentlich?«, frage ich, nicht ganz sicher, ob ich seine Motive verstehe. »Du magst den Krieg nicht, ist es das?«
»Niemand sollte den Krieg mögen , Sadler«, sagt Wolf. »Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendwer ihn wirklich mag, mit Ausnahme von Sergeant Clayton vielleicht. Er scheint ihn zu genießen. Nein, ich glaube einfach nicht, dass es richtig ist, einem anderen Menschen kaltblütig das Leben zu nehmen. Ich bin nicht religiös, wenigstens nicht sehr, aber ich denke, es ist Gottes Sache, uns hier wegzuholen oder uns leben zu lassen, wie es ihm gefällt. Und was soll ich im Übrigen gegen irgendeinen deutschen Burschen haben, den sie aus Berlin, Frankfurt oder Düsseldorf geholt haben, um für sein Land zu kämpfen? Was hat er gegen mich? Ja, es geht in diesem Krieg um politische Probleme, um territoriale Probleme, und sie bieten berechtigten Anlass zur Beschwerde, aber es gibt auch Dinge wie Diplomatie und die Vorstellung, dass sich denkende Menschen an einen Tisch setzen und ihre Probleme friedlich lösen können. Ich glaube einfach nicht, dass da alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Trotzdem bringen wir uns Tag für Tag, Woche für Woche weiter gegenseitig um. Dagegen habe ich was, Sadler, wenn du es wissen willst. Und ich weigere mich, dabei mitzumachen.«
»Aber Junge«, sagt Will mit leicht verbitterter Stimme, »dann machen sie dich zum Krankenbahrenträger. Das kannst du doch auch nicht wollen, oder?«
»Natürlich nicht. Aber das ist nicht die einzige Alternative.«
»Da bist du politisch ausgehebelt, wenn du nach zehn Minuten von einem Scharfschützen erwischt wirst«, sage ich, und Will sieht mich an und zieht die Brauen zusammen, und ich schäme mich für meine Worte. Wir alle reden aus Prinzip nie über die Konsequenzen des Krieges und die Tatsache, dass ihn nur wenige von uns, wenn überhaupt, überleben werden. Es verstößt gegen unseren Verhaltenskodex, so etwas offen zu sagen. Ich ertrage den missbilligenden Blick meines Freundes nicht und sehe weg. Meine Stiefel treffen laut auf die steinige Oberfläche des Weges.
»Ist was, Sadler?«, fragt Wolf Minuten später, als Will sich nach vorn abgesetzt hat und mit Henley über etwas lacht.
»Nein«, knurre ich, ohne ihn dabei anzusehen. Meine Augen sind starr auf diese weitere mögliche Freundschaft gerichtet, die mich noch mehr an die Seite drängen würde. »Warum sollte was sein?«
»Du wirkst ein bisschen … gereizt, das ist alles«, sagt er. »Als ob dich was beschäftigt.«
»Du kennst mich nicht«, sage ich.
»Du musst dir wirklich keine Gedanken machen«, sagt Wolf jetzt in so lockerem Ton, dass ich wütend werde. »Wir reden nur miteinander. Ich nehme ihn dir schon nicht weg. Du kannst ihn gerne behalten.«
Ich drehe mich zu ihm hin und starre ihn an, unfähig, Worte zu finden, um meiner Empörung Ausdruck zu verleihen, und er bricht in Lachen aus und geht kopfschüttelnd weiter.
Später bestraft mich Will für meine Gefühllosigkeit, indem er sich erneut zu Wolf gesellt, als wir mit unseren Gewehren, den Lee-Enfields – oder Smilers, wie wir sie nennen –, zu üben beginnen. Ich komme mit Rich zusammen, der eine Antwort auf alles hat und sich für den größten Schnelldenker hält, obwohl er kaum was kapiert, wenn es darum geht, Neues zu lernen, egal was. Er hat eine sonderbare Stellung in der Gruppe, treibt Wells und Moody mit seiner Idiotie in den Wahnsinn und zieht fast jeden Tag den Zorn von Sergeant Clayton auf sich. Rich hat etwas Bedauernswertes und doch zugleich auch Sympathisches, niemand kann ihm lange böse sein.
Jeder bekommt ein Gewehr, und die Beschwerden, dass wir noch immer unsere Zivilkleider tragen, die jeden dritten Tag gewaschen werden, um sie von Matsch und Schweißgeruch zu befreien, fallen auf taube Ohren.
»Sie wollen einfach nur, dass wir so viele Feinde umbringen wie möglich«, sagt Rich. »Wie wir dabei aussehen, ist ihnen egal. Was den guten Lord Kitchener betrifft, könnten wir auch im Adamskostüm antreten.«
Ich stimme ihm zu, denke aber trotzdem, dass die Sache mit den Uniformen etwas zu weit geht, und sage es auch. Im Übrigen hat es für uns alle etwas Ernüchterndes, unsere Smilers zu bekommen. Ein unbehagliches Schweigen breitet sich aus – es ist die Angst, dass wir diese Waffen werden gebrauchen müssen, und das schon bald.
»Meine Herren«, sagt Sergeant Clayton, der vor uns steht und sein eigenes Gewehr auf völlig obszöne Weise streichelt, »was Sie in
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