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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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ins Feld ziehen. Die anderen lachen darüber und nennen Wolf einen Feigling und Drückeberger. Würden sie meinen Tod genauso feiern? Oder Richs? Wills? Es ist nicht zu ertragen.
    Trotzdem denke ich auch Dinge, für die ich mich verachte. Plötzlich habe ich nicht länger Grund, eifersüchtig auf Wolfs Freundschaft mit Will zu sein. Gott vergib mir, aber ich empfinde eine gewisse Befriedigung, dass es damit vorbei ist.
    Als Will bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zurück ist, gehe ich ihn suchen. Es sind nur noch neunzig Minuten bis zum Zapfenstreich. Es ist unser letzter Abend in Aldershot, am nächsten Tag wird man uns mitteilen, was die Armee mit uns vorhat. Aus diesem Anlass haben wir Ausgang bekommen und dürfen gehen, wohin wir wollen. Die einzige Bedingung ist, dass wir um Mitternacht, wenn das Licht gelöscht wird, in unseren Betten liegen, oder Wells und Moody werden wissen, was sie zu tun haben.
    Einige der Männer sind, wie ich weiß, ins nahe Dorf gegangen. Der Pub dort war bei den wenigen Gelegenheiten, die wir freibekommen haben, immer unser Treffpunkt. Einige sind mit ihren Freundinnen verabredet, die sie über die Wochen in den Dörfern rundum gefunden haben. Andere machen lange, einsame Spaziergänge, um mit ihren Gedanken für sich zu sein. Ein armer Irrer, Yates, meinte, er wolle im Gedenken an die gute Zeit in Aldershot einen letzten Marsch in die Hügel unternehmen, worauf er von allen wegen seines Eifers gnadenlos fertiggemacht wurde. Aber Will ist einfach verschwunden.
    Als Erstes sehe ich im Pub nach ihm, und der Wirt sagt mir, ja, er sei da gewesen und habe allein für sich in einer Ecke gesessen. Einer der Dorfbewohner, ein älterer Herr, habe ihm ein Glas Ale spendieren wollen, zu Ehren seiner Uniform, aber Will habe abgelehnt und sich abfällig über sein Dienstabzeichen geäußert, worauf es beinahe zu einer Schlägerei gekommen sei. Ich frage, ob er angetrunken war, als er ging, aber es heißt, nein, er habe nur zwei Bier gehabt, sei irgendwann aufgestanden und ohne ein Wort gegangen.
    »Warum will er hier Streit anfangen?«, fragt mich der Wirt. »Er hat noch genug Gelegenheit, sich zu schlagen.«
    Ich antworte nicht, sondern lasse ihn stehen und gehe. Der Gedanke nistet sich in meinem Kopf ein, dass Will vor Wut über das, was mit Wolf geschehen ist, desertieren will. Verdammter Narr, denke ich. Vor ein Militärgericht werden sie ihn stellen, wenn sie ihn kriegen. Ich stehe da, und es gibt drei verschiedene Wege, die er genommen haben könnte. Was bedeutet, dass mir keine Wahl bleibt, als zurück in die Kaserne zu gehen und zu hoffen, dass er schlau genug war, dorthin zurückzukehren.
    Aber so weit brauche ich nicht zu gehen, denn auf halbem Weg zwischen Pub und Kaserne sehe ich ihn zufällig auf einer Lichtung sitzen, an einer kleinen, versteckten Stelle mit Blick auf einen Bach. Im Mondlicht sitzt er da auf dem grasigen Ufer, starrt ins Wasser und wirft einen Kiesel von der einen Hand in die andere.
    »Will«, sage ich, laufe zu ihm und bin so erleichtert, dass er sich nicht in Gefahr gebracht hat. »Da bist du ja. Ich habe überall nach dir gesucht.«
    »Hast du das?«, fragt er, und ich kann im Mondlicht erkennen, dass er geweint hat. Seine Wangen sind staubverschmiert, aber die Haut unter seinen Augen ist hell und gerötet. »Tut mir leid«, sagt er und wendet sich ab. »Ich musste nur mal allein sein. Ich wollte nicht, dass du dich sorgst.«
    »Ist schon gut«, sage ich und setze mich neben ihn. »Ich dachte, du hättest vielleicht was Dummes gemacht, das ist alles.«
    »Was denn?«
    »Na ja«, sage ich mit einem Achselzucken, »dass du vielleicht davongelaufen wärst.«
    Er schüttelt den Kopf. »Das würde ich nie tun. Jetzt auf jeden Fall noch nicht.«
    »Was soll das heißen, jetzt noch nicht?«
    »Ich weiß es nicht.« Er lässt einen tiefen Seufzer hören und reibt sich die Augen, bevor er mich mit einem traurigen Lächeln ansieht. »Da wären wir also«, sagt er. »Am Ende der Straße. Denkst du, das ist es wert?«
    »Das werden wir schon bald herausfinden«, antworte ich und sehe in den ruhig daliegenden Bach. »Wenn wir nach Frankreich kommen, meine ich.«
    »Frankreich, ja«, sagt er nachdenklich. »Jetzt liegt alles vor uns. Ich denke, Sergeant Clayton wird enttäuscht sein, wenn wir nicht alle in Ausübung unserer Pflicht getötet werden.«
    »Sag das nicht.« Mich schaudert.
    »Warum nicht? Es ist schließlich die Wahrheit.«
    »Sergeant Clayton mag ja einiges

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