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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Frankreich über? Werden wir Montag schon an der Front sein? Habe ich noch eine Woche zu leben? Das sind weit dringlichere Fragen für mich als die, ob Wolf sich für die Freiheit entschieden hat.
    Ich bin in Wills Kompanie, und als wir nachmittags von der Messe zurück in unsere Baracke gehen, herrscht vor uns große Aufregung. Ich sehe Männer in Gruppen zusammenstehen und erregt diskutieren.
    »Jetzt sag bloß nicht, der Krieg ist vorbei«, meint Will, »und wir fahren alle wieder nach Hause.«
    »Wer, glaubst du, hat gewonnen?«, frage ich.
    »Keiner«, antwortet er. »Wir haben beide verloren. Aber warte mal, da kommt Hobbs.«
    Hobbs, der uns gesehen hat, kommt herangesprungen wie ein leicht übergewichtiger Golden Retriever. »Wo kommt ihr denn her?«, fragt er leicht atemlos.
    »Aus Berlin, vom Kaiser. Wir haben ihm gesagt, dass sie die Bösen sind und aufgeben sollen«, sagt Will. »Warum, was ist los?«
    »Habt ihr’s noch nicht gehört?«, fragt Hobbs. »Sie haben Wolf gefunden.«
    »Oh«, sage ich leicht enttäuscht. »Ist das alles?«
    »Was soll das heißen, ist das alles? Das reicht doch wohl.«
    »Wo haben sie ihn gefunden?«, fragt Will. »Ist er in Ordnung?«
    »Etwa vier Meilen von hier«, antwortet Hobbs. »In dem Wald, durch den wir in der ersten Woche immer marschiert sind.«
    »Da oben?«, frage ich überrascht. Es ist eine unangenehme, verwahrloste Ecke, voller Sümpfe und eiskalter Bäche. Sergeant Clayton hat sich bald schon etwas Trockeneres für seine Übungen gesucht. »Was zum Teufel hat er da gemacht? Da kann man sich doch nicht verstecken?«
    »Du bist auch nicht der Hellste, Sadler, was?«, sagt Hobbs und grinst übers ganze Gesicht. »Er hat sich da nicht versteckt. Gefunden haben sie ihn. Wolf ist tot.«
    Ich starre Hobbs überrascht an und vermag nicht gleich zu begreifen, was er da sagt. Ich schlucke, merke, wie schrecklich das Wort klingt, und wiederhole es leise, aber als Frage, nicht als Feststellung.
    »Tot? Aber warum? Was ist passiert?«
    »Ich kenne die ganze Geschichte noch nicht«, sagt Hobbs. »Aber ich arbeite dran. Wie es aussieht, haben sie ihn mit dem Gesicht nach unten in einem der Bäche gefunden, mit zertrümmertem Schädel. Muss versucht haben, wegzurennen, ist im Dunkeln gestolpert und auf einen Stein geschlagen. Entweder ist er an dem Schlag gestorben oder ertrunken. Wie auch immer, auf jeden Fall ist er damit weg. Wir sind unseren Drückeberger los. Gott sei’s gedankt.«
    Instinktiv packe ich Wills Arm, der in genau dem Moment hochschießt, um Hobbs ins Gesicht zu schlagen.
    »Was ist denn mit dir los?«, fährt Hobbs Will an und springt überrascht zurück. »Jetzt sag bloß nicht, du hast auch die Seite gewechselt? Du willst doch nicht am Abend, bevor wir ausrücken, den Schwanz einziehen und auch zu so einem Scheißpazifisten werden?«
    Will kämpft noch einen Moment gegen meinen Arm an, aber ich bin genauso stark wie er und lasse ihn erst los, als ich spüre, wie sich seine Muskeln entspannen. Ich behalte ihn jedoch im Auge, während er Hobbs weiter anstarrt, das Gesicht voller Wut, sich dann umdreht und in die Richtung davongeht, aus der wir gekommen sind. Kurz bevor er aus unserem Blick verschwindet, wirft er die Arme voller Abscheu in die Höhe.
    Ich beschließe, ihn allein zu lassen, gehe in unsere Unterkunft, lege mich auf meine Pritsche und höre nicht auf die Gespräche der Männer um mich herum, die mit immer tolleren Theorien aufwarten, wie genau Wolf es geschafft hat, vor seinen Schöpfer zu treten. Ich versuche, mir selbst einen Reim darauf zu machen. Wolf ist tot. Es kommt mir unwirklich vor. Himmel, er war gerade mal ein, zwei Jahre älter als ich, ein gesunder Mensch, der das ganze Leben noch vor sich hatte. Erst gestern habe ich zuletzt mit ihm geredet. Er hat mir erzählt, Will und er hätten beim Wacheschieben ein Erdkunde-Quiz gespielt und Will habe ihn schwer enttäuscht.
    »Der Schlauste ist er nicht gerade«, sagte Wolf und machte mich damit so wütend, dass ich ihm nicht antworten konnte. »Ich weiß wirklich nicht, was du an ihm findest.«
    Natürlich weiß ich, dass wir uns im Krieg befinden und alle dem Tod eher ins Gesicht sehen werden, als wir es gemäß der natürlichen Ordnung der Dinge tun würden. Aber wir sind immer noch in England. Wir haben noch nicht mal Aldershot verlassen, und schon zählt unsere Truppe nur noch neunzehn statt zwanzig Mann, das langsame, unvermeidliche Abnehmen unserer Zahl beginnt bereits, bevor wir

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