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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Rigby hast du gehört, nehme ich an?«, fragt er nach einer Weile, und ich nicke.
    »Ja«, sage ich. »Es hat mir leidgetan.«
    »Er war ein prima Kerl«, sagt Will ernst. »Aber wirklich, wann immer sie einen Verweigerer ins Niemandsland schicken, hoffen sie darauf, dass er erschossen wird. Und um den armen Teufel, den er da draußen einsammeln sollte, scheren sie sich auch nicht.«
    »Wer war das überhaupt?«, frage ich und sehe ihn an. »Das habe ich nirgends gehört.«
    »Ich bin nicht sicher«, sagt er. »Tell vielleicht? Shields? Einer von denen.«
    »Noch einer von uns«, sage ich und stelle mir die Jungs in ihren Betten in Aldershot vor.
    »Ja. Wir sind nur noch elf. Neun sind tot.«
    »Neun?«, frage ich und lege die Stirn in Falten. »Ich habe bisher nur acht gezählt.«
    »Hast du von Henley gehört?«
    »Ja, den habe ich schon mitgezählt«, antworte ich, und es versetzt mir einen Stich zu denken, dass noch einer getötet wurde. Ich verfolge genau, wie es um die Jungs aus Aldershot steht. Wer noch da ist und wen es erwischt hat. »Yates und Potter. Tell, Shields und Parks.«
    »Denchley«, sagt Will.
    »Ja, Denchley. Das macht sechs. Rich und Henley, acht.«
    »Du vergisst Wolf«, sagt Will leise.
    »O ja«, sage ich und spüre, dass ich rot werde. »Natürlich. Wolf.«
    »Mit ihm sind es neun.«
    »Das stimmt, ja«, sage ich. »Tut mir leid.«
    »Jedenfalls liegt Rigby noch da draußen, glaube ich. Vielleicht schicken sie später einen Trupp, um ihn zu holen, obwohl, ich glaub’s eher nicht. Was für eine Verschwendung, wie? Einen Krankenbahrenträger schicken, um einen Krankenbahrenträger einzusammeln. Den erwischen sie dann sicher auch, und wir müssen noch einen schicken. Das wird eine verdammte Endlosspirale.«
    »Corporal Moody sagt, sie haben achtzig weitere Männer zu uns in Marsch gesetzt. Wir sollten also in ein, zwei Tagen Verstärkung bekommen.«
    »Was auch immer das helfen mag«, sagt Will verbittert. »Der verdammte Blutsauger Clayton. Ehrlich, Tris. Der verdammte Sergeant James Blutsauger Clayton.«
    Tris . Eine einzige vertrauliche Silbe rückt die Welt wieder gerade.
    »Es ist kaum sein Fehler«, sage ich. »Er befolgt auch nur Befehle.«
    »Ha!«, schnauft Will und schüttelt den Kopf. »Siehst du nicht, wie er all die über die Sandsäcke schickt, die er nicht mag? Der arme Rigby. Ich weiß nicht, wie er überhaupt so lange überleben konnte, so oft, wie er da rausgeschickt wurde. Clayton hatte ihn von Anfang an auf seiner Liste.«
    »Die Männer mögen keine Verweigerer«, sage ich halbherzig.
    »Im Grunde unseres Herzens sind wir alle Verweigerer«, antwortet Will und streckt die Hand nach der Kerze vor sich aus. Es ist nicht mehr viel von ihr übrig, und er fährt mit dem Zeigefinger durch die Flamme, erst schnell, dann langsamer und immer langsamer.
    »Hör auf, Will«, sage ich.
    »Warum?«, fragt er mit einem bitteren Lächeln. Er sieht mich an und hält den Finger länger und länger in die Flamme.
    »Du verbrennst dich«, sage ich, doch er tut es ab.
    »Das macht nichts.«
    »Nun hör schon auf!«, sage ich, packe seine Hand und ziehe sie von der Kerze weg, die kurz aufflackert und bizarre Schatten auf unsere Gesichter wirft, während ich seine Hand halte und die raue, schwielige Haut spüre, die wir alle längst haben. Er sieht auf meine Hand und fängt meinen Blick auf. Sein Gesicht ist schmutzig, und unter beiden Augen kleben Erdreste auf der Haut. Er beginnt zu lächeln, und die Grübchen erscheinen in seinen Wangen. Weder Krieg noch Gräben können ihnen etwas anhaben. Langsam, ganz langsam zieht er seine Hand zurück. Ich bin verunsichert, verwirrt und vor allem erregt.
    »Wie geht’s deinen Händen?«, fragt er, und ich halte sie geöffnet in die Luft, die Finger reglos, als wären sie gelähmt. Das ist mittlerweile mein Partytrick. Mein Rekord liegt bei acht Minuten ohne jede Regung. Will lacht. »Immer noch ruhig wie ein Fels. Ich weiß nicht, wie du das machst.«
    »Ich habe Nerven aus Stahl«, sage ich und lächele ihn an.
    »Glaubst du an den Himmel, Tristan?«, fragt er mich mit leiser Stimme, und ich schüttele den Kopf.
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«, fragt er überrascht. »Warum?«
    »Weil es eine menschliche Erfindung ist«, erkläre ich ihm. »Ich staune, wenn ich die Leute von Himmel und Hölle reden höre und wo sie einmal landen werden, wenn ihr Leben vorüber ist. Niemand tut so, als verstünde er, warum wir unser Leben überhaupt bekommen haben, das

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