Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
ist es in Ordnung, ja?«, frage ich und mache mich einen Moment lang von ihm los, und er sieht wie benommen auf mich herab und nickt schnell.
»Ja, ja«, sagt er und bewegt sich an mir herunter, berührt dabei jede nur mögliche Stelle, und ich verbiete mir, auf die Stimme in meinem Kopf zu hören, die mich daran erinnert, dass ich mir die paar Minuten Lust mit einer endlos langen Zurückweisung erkaufe. Was macht es schon? So kann ich wenigstens für ein paar Minuten glauben, dass wir nicht länger im Krieg sind.
Ich krieche weiter und hebe mich in eine halbe Kauerstellung, bleibe hängen, falle über einen Körper, den ich vage zu kennen glaube, einen von den neuen Jungs, und lande im Matsch. Ich grabe die Absätze in den Boden, strecke mich durch, spucke Erde und Steinchen aus, schenke dem Jungen keine weitere Beachtung und krieche weiter. Es hat keinen Sinn, den Dreck abzuwischen. Ich bin seit Monaten dreckig.
Ins Niemandsland vorzudringen, wird mit jedem Mal erschreckender. Es ist wie russisches Roulette: Mit jedem Drücken des Abzuges werden die Chancen, den nächsten Schuss zu überleben, geringer.
Ich kann Wells oder Moody hören, einen von ihnen, der ein Stück weiter unten Befehle erteilt, aber es ist schwer auszumachen, was genau er sagt. Sturm und Graupelregen machen es unmöglich, etwas anderem als dem reinen Instinkt zu folgen. Es ist Wahnsinn, unter diesen Bedingungen anzugreifen, aber der Befehl kommt aus dem Hauptquartier und ist nicht infrage zu stellen. Unsworth, bockig wie immer, hat es dennoch gewagt, diese Entscheidung anzuzweifeln, und ich dachte schon, Clayton wollte ihn niederschlagen, aber da entschuldigte sich Unsworth bereits und lief zu den Leitern. Offenbar hatte er weniger Angst vor den Kugeln des Feindes als vor dem Zorn unseres Sergeants. Clayton scheint seit Fieldings Besuch auch noch den letzten Rest Verstand verloren zu haben. Er schläft kaum noch und sieht aus wie der Tod. Sein Brüllen ist überall zu hören, egal, wo man sich gerade befindet. Ich frage mich, warum Moody und Wells seinetwegen nichts unternehmen. Ihm muss das Kommando entzogen werden, bevor er uns alle in Gefahr bringt.
Ich schiebe mich weiter auf dem Bauch voran, das Gewehr vor mir und das linke Auge fest geschlossen, während ich durchs Zielfernrohr nach möglichen Gegnern suche, die sich auf mich zubewegen. Ich stelle mir vor, wie ich mich plötzlich Auge in Auge mit jemandem meines Alters wiederfinde, beide in Panik, bevor wir uns gegenseitig erschießen. Der Himmel ist voller Flugzeuge. Dort, wo sich das dunkle Blau zwischen den grauen Wolken durchdrängt, zeigt sich eine gewisse Schönheit, aber es ist gefährlich, da hinaufzusehen, und so krieche ich weiter. Das Herz pocht mir in der Brust, und ich keuche vor Anstrengung.
Will und Hobbs sind letzte Nacht auf Erkundung geschickt worden, die so lange dauerte, dass ich überzeugt war, wir würden die beiden nicht lebend wiedersehen. Als sie dann aber schließlich doch zurückkamen, berichteten sie Corporal Wells, die deutschen Gräben verliefen etwa eine dreiviertel Meile nördlich von uns. Aber es seien getrennte, nicht durchgängig miteinander verbundene Systeme, und wenn wir vorsichtig genug vorgingen, könnten wir sie einen nach dem anderen einnehmen, meinte Hobbs. Will blieb stumm, und als Sergeant Clayton kreischte: »Und was ist mit Ihnen, Bancroft, Sie dämlicher Hurensohn? Was sagen Sie dazu?«, nickte er nur und sagte, er sei mit Hobbs einer Meinung.
Ich wandte mich ab, als ich seine Stimme hörte, und ich habe das Gefühl, dass ich glücklich wäre, sie nie wieder hören zu müssen.
Drei Wochen sind jetzt vergangen seit unserem zweiten Mal, und er hat noch kein Wort an mich gerichtet, auch nicht geantwortet, wenn ich ihn etwas gefragt habe. Sobald er mich näher kommen sieht – ich meine, wenn ich zufällig in seine Richtung gehe, nicht nach ihm suche –, dreht er sich um und läuft davon. Kommt er ins Messezelt, während ich esse, überlegt er es sich anders und kehrt in sein eigenes, privates Inferno zurück. Nein, einmal hat er mit mir geredet, da sind wir an einer Ecke zusammengestoßen, und es war sonst niemand in der Nähe. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er schüttelte schnell den Kopf, hob die Hände, um eine Barriere zwischen uns zu schaffen, und sagte: »Verpiss dich einfach, ja?«, und das war es dann auch.
Von weiter vorn ist Artilleriefeuer zu hören. Bleibt in einer Reihe, kommt es von Mann zu Mann. Wir sind
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